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Altneue Chefallüren

■ Hype-Party mit Maceo Parker & Roots Revisited im Quasimodo

Wissen Sie, was ein »Hype« ist? Wenn nicht, dann haben Sie noch genau heute und morgen Zeit, im Quasimodo einen Hype am eigenen Leibe kennenzulernen. Sie plazieren sich vor der Bühne und strecken zum Training, noch bevor die Musiker erscheinen, schon einmal den Arm weit nach vorn oben aus (so als wollten Sie auf die Scheinwerfer zeigen). Es kann nicht schaden, dabei die Finger zu spreizen, aber nicht die falschen. Achten Sie auf Ihren Nachbarn, ahmen Sie ihn nach, ohne daß er es bemerkt, er wird das gleiche tun. Den Anweisungen des Bühnenpersonals ist unbedingt Folge zu leisten. Sie können ruhig einmal zwischendurch »PAAARDIIE« brüllen, notfalls auch, wenn es Sie während eines Solos überkommt. Wenn aber von der Bühne die Aufforderung ertönt »We gonna have a house party tonight« und daraufhin mehrere Personen gleichzeitig »PAAARDIIE« rufen — machen Sie mit und denken Sie an die Eingangsübung.

Klatschen Sie in die Hände (Finger entspreizen!). Kümmern Sie sich nicht um Takt oder Rhythmus der Musik, darauf kommt es nicht an. Vergessen Sie, daß Sie anfangs glaubten, Sie seien in einem Konzert, Sie sind bei einem »Hype«, und dafür haben Sie immerhin bezahlt.

Die Musiker werden Sie nach Kräften unterstützen, das Richtige zu tun. Besonders auf die drei Schwarzen vorn in der ersten Reihe sollten Sie achten. Zur Identifikation: die drei haben Blasinstrumente dabei. Die drei Bläser hatten viele Jahre mit Unterbrechungen bei James Brown gespielt. Als der Sexmaschinist 1988 wegen Körperverletzung und Waffenbesitzes eine mehrjährige Haftstrafe antrat, machten sich Maceo Parker (der in der Mitte mit dem Altsaxophon), Fred Wesley (Posaune) und Pee Wee Ellis (Tenor) selbstständig. James Brown hatte sie sowieso fast nie auf den Plattencovern als Musiker angegeben und sie auch einige Male um ihre Tantiemen betrogen. Unter Maceos Namen spielten sie ein Album mit dem Titel Roots Revisited ein. Weil es recht gut in den gerade aktuellen Trend vom Hip-House-Jazz paßte und relativ eingängig, tanzbar und trotzdem jazzig klang, entdeckten einige DJs die Platte. Endlich hatte man, was man brauchte: Jazz als aufgekochter Rhythm 'n' Blues, eine Prise Soul in der Suppe, ordentlich angeschimmelter Cooljazz und Bebop der Vierziger und Fünfziger Jahre, und als Tanzanreiz eine gehörige Portion Funk.

Eine ziemlich gelungene Mischung von ziemlich guten Musikern, die endlich aus dem Schatten James Browns treten konnten. Sie scheinen nicht einmal einen Groll auf Brown zu haben. Maceo Parker streut ein paar Takte »Sexmachine« in einen Song, singt und schwitzt im ausverkauften Quasimodo fast wie sein ehemaliger Chef. Als Reminiszenz an den Transpirationsmeister nennen sich die Drei auch noch „The JB Horns“. Und sie erzählen dem Publikum ihre Version der Geschichte, wie JB vor wenigen Wochen aus dem Knast entlassen wurde: Maceo, Pee Wee und Fred hatten so lange vor dem Gefängnis »James Brown — let him out« gesungen und dazu in ihre Hörner gestoßen, und das sei so wahnsinnig »funky« gewesen, daß sie den Sänger einfach freilassen mußten.

Da die JB Horns inzwischen selbst in der ersten Reihe stehen, können sie es sich leisten, den Spieß einmal umzudrehen. Ihre drei Mitmusiker Ronald Muldrow (Gitarre), Larry Goldings am Bass und Schlagzeuger Jimmy Madison werden zum Anheizen als erste auf die Bühne geschickt und haben den anderen am Ende den Rücken freizuhalten. Stars kommen später und gehen früher als Angestellte. Auch bei den Ansagen werden die »Sidemen«, die gute Arbeit leisten, oftmals übergangen.

Die Musik des Sextetts ist vielleicht nur eine vorübergehende Modeerscheinung. Aber intuitiv haben Maceo & Co damit den Nerv der Zeit getroffen. Sie haben ihre eigene Musikverwertungsgesellschaft gegründet, bevor ihre kraftvollen Bläsersätze nur noch als frei verfügbares Tonmaterial in den Computer-Archiven der Studios gespeichert und gesampelt werden. So verdienen sie wenigstens selber das Geld damit und haben ihren Spaß am Publikum, das endlich mal nach ihrer Pfeife tanzt.

P.S.: Die angekündigte »1st Quasi Haus Party« mit der »Open End Jazz Hop Disko« im Anschluß an das Konzert wurde mangels Masse leider ein Flop. Merke: Kein echter Hype ohne geschulte Teilnehmer.

Andreas Becker

Maceo Parker & Roots Revisited spielen noch heute und morgen ab 22.00 Uhr im Quasimodo.

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