Polenmarkt lohnt sich für Polen nicht mehr

■ Ab Anfang April fällt die Visumspflicht für Polen weg/ Innensenator will gegen Händler hart durchgreifen

Berlin. Die Elektrohändler in der Kantstraße wittern schon jetzt das große Geschäft: In zwei Wochen, am 8.April, dürfen polnische Staatsbürger ohne Visum nach Deutschland einreisen. Hauptreiseziel dürfte wieder Berlin sein. Befürchtungen, daß ein neuer »Polenmarkt« entstehen könnte, werden von Beobachtern aber nicht geteilt. »Die Polen werden kommen um zu kaufen, nicht um zu verkaufen«, meint beispielsweise die in Berlin lebende polnische Journalistin Ewa Slaska.

Das große Geschäft ist mit Verkaufsreisen von Polen nach Berlin kaum noch zu machen. Seit Einführung der Währungsunion ging der Schwarzmarkt am Reichpietschufer (der »Polenmarkt«) kontinuierlich zurück, zum Weiterverkauf bestimmte Waren aus der DDR, die zuvor mit Ostgeld bezahlt werden konnten, waren nur noch gegen harte Westwährung zu bekommen. Polnische Produkte sind seit der Preisfreigabe im vergangenen Jahr erheblich teurer geworden, ein Zwischenhandel lohnt sich kaum noch. Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) erklärte am Wochenende trotzdem, jeden Ansatz eines neuen Polenmarktes in der Stadt durch die Polizei »im Keim ersticken« zu lassen. Der rot- grüne Senat hatte den Polenmarkt geduldet.

Viele Besucher aus Polen werden sich deshalb in der Umgebung der Kantstraße aufhalten. Die HiFi-Geschäfte haben sich auf den Ansturm bereits vorbereitet. In vielen Geschäften hängen Hinweisschilder in polnischer Sprache. Wegen härterer Zollkontrollen bei der Wiedereinreise nach Polen rechnen Beobachter vor allem mit Besuchern aus der grenznahen Region, für die sich eine private Fahrt lohnt. Wer als potentieller Händler von polnischen Beamten erwischt wird, muß Umsatzsteuern zahlen. Davon ausgenommen sind nur geringe Mengen an Produkten für den eigenen Bedarf. Durch steigende Benzin- und Bahnpreise wird die Gewinnspanne für Kleinhändler und Schmuggler außerdem geringer. Für die Fahrt Danzig-Berlin-Danzig mit der Eisenbahn muß ein polnischer Arbeiter fast die Hälfte seines monatlichen Lohnes hinlegen.

Da die polnischen Touristen ab 8. April drei Monate lang in Deutschland bleiben können, ist auch mit einem Anstieg von Schwarzarbeit und Prostitution zu rechnen. Vor allem auf dem Schwarzarbeitsmarkt könnte dann eine Konkurrenzsituation zwischen Polen und Ex-DDR- Bürgern eintreten. Sowohl die polnische wie die Berliner Polizei vermutet, daß auch der Diebstahl von Autos, der in Polen von kriminellen Händlerringen organisiert wird, dann wieder zunimmt. Gleichzeitig werden HiFi-Läden und Aldi- Märkte durch die neuen Kunden ihren Umsatz wieder vervielfachen.

Daß sich der Besucherstrom auch auf andere Städte in Ostdeutschland verteilt, ist wegen der nach wie vor schlechten Angebotssituation in Städten wie Frankfurt oder Görlitz kaum anzunehmen. ccm