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Weiße Herren und "schwarze Archlöcher"

■ Fast überall im südlichen Afrika regieren heute Befreiungsbewegungen. Doch die Weißen haben weiterhin gro0e Macht über ihre schwarzen Erben. In Namibia dominieren weiterhin die deutschen...

In Mosambiks Hauptstadt Maputo löste die Nachricht allenfalls Schulterzucken aus. Eine der 160 Hilfsorganisationen in dem afrikanischen Land will ein Provinzkrankenhaus ausbauen. Doch der Architekt muß vorsichtig planen. Denn die Hälfte der Mittel fließt mit Wissen der Helfer in die Taschen der zuständigen Chefs. Nur so konnte die Projektgenehmigung zustandegebracht werden.

In Liberia spendierte die französische Hilfsorganisation „Medecins sans Frontières“ im August 1990 den Rebellen von Charles Taylor 1.000 Dollar, wenn sie von der Elfenbeinküste aus einen Transport mit Arzneimitteln in das Bürgerkriegsland schicken wollte. Dank der Großzügigkeit durften deshalb eine Zeitlang nur die Franzosen über die Grenze — ein „Erfolg“, mit dem zu Hause kräftig die Werbetrommel für Spenden gerührt werden konnte.

„Was zählt, ist Umsatz“, erklärt ein Entwicklungshelfer in Angola. Oft wird die Effizienz von Hilfsorganisationen und Entwicklungshilfe an einer einfachen Gleichung gemessen: Bei Personal- und Verwaltungskosten in Höhe von zehn Prozent der gesamten Hilfsleistungen schwärmen Experten und politische Kontrolleure. Bei 20 Prozent wird kritisch die Stirn gerunzelt. „Je mehr geliefert wird, desto geringer sind prozentual die Personalkosten“, beschreibt ein Entwicklungshelfer diese Logik.

Die Qualität bleibt da oft auf der Strecke. Harald Klein von der Deutschen Welthungerhilfe in Angola weist nur auf ein eiziges Beispiel hin: „Weltweit gibt es kein einziges funktionierendes Ofenprojekt.“ Aber der Brennstoffbedarf von Familien in der Dritten Welt ist eines der brennendsten Entwicklungsprobleme. Die Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt ließ den Bedarf an Brennstoffen explodieren — aber Öl, Gas und Kohle kann sich niemand kaufen, der kein Einkommen hat. Die Lösung: Brennholz. In dem Gebiet um Sumbe, knapp 400 Kilometer nördlich von Angolas Hauptstadt Luanda, droht deshalb ein ökologisches Desaster. Die Landschaft gleicht längst einer Wüste. Der Grund: Die zahlreichen Flüchtlinge verdienen sich mit dem Verkauf von Brennholz ein Zubrot.

Aber Ofenprojekte bestehen nicht nur aus mühsamer Kleinarbeit. Sie sind auch schwer auf Hochglanzprospekten der Entwicklungshilfe zu verkaufen, und daher kaum mittel- oder karrierefördernd.

„Nothilfe werden wir wohl weiter in Katastrophenfällen loseisen können“, schätzt eine Mitarbeiterin der Vereinten Nationen in Mosambik, „aber wenn es darum geht, die Ursachen mit mittel- und langfristigen Projekten zu bekämpfen, werden die Spender plötzlich geizig.“ Um die restliche Unterstützung nicht allgemein in Frage zu stellen, werden krasse Fehlleistungen teilweise verschwiegen.

So schickten Gesundheitszentren in der Umgebung von Xai-Xai, 200 Kilometer nördlich von Mosambiks Hauptstadt Maputo, Patienten mit mehr als einfachen Knochenbrüchen gleich zu einer Operation in die Abteilung für Amputation des Provinzkrankenhauses. Bergründung: „Von der Orthopädie kamen sie schlimmer zurück als wir sie hinschickten“. Laut einem der Regierung vorliegenden Bericht war der für Knochenbrüche zuständige Arzt, ein sowjetischer Entwicklungshelfer, entweder ständig betrunken oder erschien nicht zum Dienst. Sein kaum ausgebildeter mosambikanischer Gehilfe flickte die Brüche, indem er einfach Gips anlegte. Konsequenzen aus dem Bericht wurden dennoch nicht gezogen. Regierungsbeamte fürchteten sich vor dem Arzt aus der UdSSR, denn viele Entwicklungshelfer wurden punktuell abgezogen.

In der mosambikanischen Provinz Zambezia füttern westliche Hilfsorganisationen die Bevölkerung in Sammellagern durch. Errichtet werden diese Camps oft von den Sicherheitskräften des Landes. Die Armee konzentriert die Bevölkerung in diesen Camps, um den rechtsgerichteten und brutalen „Renamo“-Rebellen die Versorgung aus der Zivilbevölkerung zu erschweren. So wird in aller Welt von Regierungen aller Schattierungen Aufstandsbekämpfung praktiziert. Letztes Jahr starben in Mosambik nach Expertenschätzungen etwa 10.000 Menschen, bevor die Hilfsorganisationen endlich liefern durften.

„Wollen Sie entscheiden, daß in solchen Fällen nichts getan wird? Wollen Sie die Leute verhungern lassen?“ fragt ein Entwicklungshelfer in Mosambik. Ein Kollege in Angola fragt weiter: „Tragen wir dadurch nicht zur Kriegsverlängerung bei?“ Und er fährt fort: „Solche Fragen darf jemand wie ich in der Öffentlichkeit nicht stellen.“

Zudem ist Entwicklungshilfe mittlerweile oft zum Selbstzweck verkommen. Ein Franzose, der seit Jahren in Mosambik aktiv ist, gibt offen zu, daß seine Motivation mit Weltverbesserung nichts zu tun hat: „Das Leben, das ich hier führen kann, könnte ich mir zu Hause nicht erlauben.“ Feines Haus, Swimming- Pool und Hausbedienstete gehören zum selbstverständlichen Lebensniveau. Die deutsche GTZ ließ in einem afrikanischen Land gar ein komplettes Haus bauen, um einem Experten das für notwendig erachtete Lebensgefühl zu ermöglichen.

Völlig absurd wird die Ausgabenpolitik im südlichen Afrika bei den Fahrzeugen. So kurven deutsche Entwicklungshelfer in Angola und Mosambik in Mercedes-Geländewagen umher. Die Fahrzeuge tragen ihren Stern zu Recht. Mit rund 65.000 Mark kosten sie etwa das Doppelte von vergleichbaren japanischen Modellen. Die Rechtfertigung für die Geldverschwendung: Wenn entsprechende Fahrzeuge nicht im Projektland gebaut werden, soll auf die AKP-Staaten — ehemalige Kolonien von EG-Mitgliedsländern in Afrika, der Karibik und dem Pazifik — zurückgegriffen werden. Da auch sie keine Geländewagen bauen, kommt Mercedes zum Zug.

Wegen des Bürgerkrieges in Mosambik aber dürfen die Experten Maputo nicht verlassen. So kutschieren die Entwicklungshelfer mit den teuren Jeeps in der mosambikanischen Hauptstadt mit ihren asphaltierten Straßen herum.

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