DIRKBEYERUNDJÖRGSTEINERTINDERGALERIEWEISSERELEFANT

DERAUSSTELLUNGS-TIP  ■  IM BANNKREIS DES UNBEWUSSTEN

Je tiefer die Anlässe zu Kunstwerken im persönlichen Leben ihres Schöpfers zu suchen sind, in Angst, Trauer und Verlassenheit, desto weniger sind direkte Rückschlüsse möglich. Das fertige Werk ist nie identisch mit seiner Vorentstehung. Aber Ahnungen sollten trotzdem zu versuchen sein.

Nachdem ich Bilder von Dirk Beyer gesehen hatte, fiel mir ein Satz von Hans Henny Jahnn ein: »Wir müssen nicht nur das Dasein bestehen, wir müssen auch die Launen des vielfältigen Tieres austragen, das unsere Haut bedeckt«. Und vom gleichen Autor stammt auch das Bekenntnis, daß die Übertragung der Ursachen seiner Einfälle nur einen unartikulierten Schwall ergeben würde. Es braucht Besinnung, Übersetzung, Verschlüsselung — und dann wieder die richtige Lesung, die vielleicht nur ein Erschrecken sein kann. Diesem Problem begegnet man in Dirk Beyers Bildern, wo ein »vernunftbegabtes Tier« (animal rationale) sich zu artikulieren scheint. Der Kampf der Geschlechter, Vernichtung und Leid drängen an die Oberfläche und werden zu Gebilden transformiert, die sich als Traumerscheinungen tarnen, um nicht zu leicht entlarft zu werden. Es sind eigentlich ganz natürliche Bekenntnisse, deren Offenbarung aber sichtlich eine erhebliche Portion Mut verlangt.

Stellt man diese Bilder mit den Plastiken von Jörg Steinert zusammen, erkennt man eine verblüffende Gemeinsamkeit in der tastenden Anlehung an historische Vorbilder und der gleichzeitigen Abweichung aus dem für sicher gehaltenen Formenreservoir. Vor dem Moment der Sättigung verlassen beide wieder die mögliche feste Bahn und setzen sich neuer Unsicherheit aus.

Steinert steht hauptsächlich so in der Tradition anderer Plastiker, daß er mit jeder Arbeit wieder bei einfachsten organischen Bausteinen beginnt, um zur gültigen Form, der einzigen, nie zu erfüllenden zu finden. Es muß eine unbezwingbare Lust dahinter stecken, die dazu anhält, eine scheinbar überflüssige Last immer neu auf sich zu nehmen.

Die Ergebnisse in der Plastik sind wohl ewige Zwischenstufen auf dem Weg zur Vollkommenheit, in der Malerei eher die Selbstzerfleischung, die das letzte psychisch Erlebbare herauspressen will. Wohl kann einem in beiden Varianten als Täter und Opfer in einem nicht sein. Aber wer kann schon so Überflüssiges fragen, im Bannkreis des Unbewußten. Fritz Viereck

BIS20.4.,ALMSTADTSTR.11,1054