Eine Ausbildungsakademie im Hinterhof

16 Dozenten unterrichten 120 Fortzubildende im Aus- und Weiterbildungszentrum der DAA in Berlin-Prenzlberg  ■ Von Frank Brendel

Berlin. Zwischen Polizeirevier und Kohlegroßhandel gähnt der große Schlund eines Industriehinterhofes. Berlin, Prenzlauer Berg, Immanuelkirchstr. 14. Baustellenschmutz, Arbeitslärm von schwerem Gerät. Berliner Hinterhöfe sind allemal für Überraschungen gut: Neben der Tür zum Treppenhaus, rechter Seitenflügel, stehen weiß auf blauem Hintergrund die Buchstaben DAA. Dahinter verbirgt sich ein Aus- und Weiterbildungszentrum der „Deutschen Angestellten Akademie“.

Im vierten Stock hat sich die Akademie eingemietet, in Räumen der ehemaligen VEB Perfekt Helm, und sich in kurzer Zeit ein modernes Aus- und Fortbildungszentrum geschaffen. Seit dem 7. Januar wird hier unter der Projektleitung des 32jährigen Betriebswirtes Klaus Thormeier unterrichtet. 16 Dozenten betreuen 120 Fortzubildende, von denen Thormeier sicher ist, daß sie nach halbjähriger Ausbildung leicht eine Stelle in einem kaufmännischen Büro finden werden. Er hat sich von München aus für diese Stelle beworben, arbeitet nun nicht nur im Prenzlberger Kiez, sondern wohnt auch hier. Ein Westdeutscher, der sich auf dem „Prenzl“ besser als in Charlottenburg, Schöneberg oder Kreuzberg auskennt, das ist noch neu. „Ich will nicht verhehlen, daß es hier auch Bedenken gegen einen Pressebesuch gab.“ Klaus Thormeier ist direkt, aber freundlich. Er hat sich kurz unterbrochen, denn mutmaßlich ist gerade eine S-Bahn im fünften Stock eingefahren. „Über uns entrümpelt Perfekt Helm den Dachboden mit einem Hubstapler.“ Nach einer kurzen Pause lächelt er wieder: „Wir ignorieren das!“

Thormeier ist nicht der Westdeutsche, der alles schon immer besser wußte und erst mal über die Hinterlassenschaft der Planwirtschaft vom Leder zieht. Dabei hätte er allen Grund, über die Verhältnisse Klage zu führen. Immerhin leitet er — wenn auch nur kommissarisch — einen Ausbildungsbetrieb, so modern und kompetent ausgestattet wie eine richtige Firma.

„Unsere Übungsfirma könnte theoretisch ein gut funktionierendes Versandhaus sein“, sagt Herr Krüger. Der 43jährige leitet die Ausbildung an den Personalcomputern. Für den gebürtigen Berliner (West) ist die DAA ein kleines Ausbildungsparadies. Was Wunder — als freiberuflicher Ausbilder hat er schon viele Welten durchschritten. Zuletzt lehrte Krüger in Frankfurt an der Oder: „in einem Loch“, den abgewrackten Räumen eines Betriebes, der schon früh kapitulieren mußte und noch dazu „mit zu wenig Hardware“ — sprich Computern.

Siegrid Krause, die 23jährige ehemalige Sachbearbeiterin des Ministeriums für Handel sitzt — statt in der real nicht existierenden Warteschleife — vor ihrem Computer. Sie lebt nicht nur mit dem landläufigen Vorurteil, daß jede Angestellte des gewesenen Ministeriums SED-Mitglied war, sondern auch mit einer neuen Perspektive, die sie sich selbst aufgetan hat. Auf einer „Bildungsmesse“ hat sie sich informiert, war von dem Konzept einer technischen Ausbildung mit lebensnaher Begleitung wie Arbeitsrecht und zum Beispiel Rollenspielen in fiktiven Bewerbungsgesprächen angetan, und hat sich wenig später bei einem Beratungsgespräch von dem Weiterbildungsangebot überzeugen lassen.

Obwohl die Vermittlung zur DAA eigentlich den Arbeitsämtern 1 und 2 obliegt, haben sich die Lehrer ihre Schüler bei Informationsabenden praktisch selber suchen müssen. Klaus Thormeier vermutet banale Gründe für die Zurückhaltung: Viele der möglichen Schüler hätten Angst, ihr Kurzarbeitergeld zu verlieren, wenn sie mit der Fortbildung beginnen. Dem ist nicht so: „Frau Krause bezieht seit Oktober immer noch vom Arbeitsamt Kurzarbeitergeld. Seit dem 7. Januar bilden wir sie weiter. Wird sie am 1. April offiziell arbeitslos, bekommt sie zum Arbeitslosengeld noch fünf Prozent Zuschlag für die Dauer der Fortbildung.“

Klaus Thormeier würde wohl am liebsten von Haus zu Haus gehen und in jeden Briefkasten ein Merkblatt stecken. Sicher, so ganz uneigennützig ist das nicht, was und wovon er redet: Je massiver und dringlicher der Ruf nach Qualifizierungsmaßnahmen wird, desto mehr Aufträge, Schulräume und Geld wird der Staat Ausbildern wie der DAA geben müssen.

Gudrun Witt, 41 Jahre alt und früher Arbeitsökonomin, gehört zu den vier Frauen, die der DAA während der Ausbildung den Rücken zugewandt haben. Doch nicht aus Frustration, sondern getrieben von der Sorge, „daß es im Sommer gar nichts mehr gibt“, hat sie das Angebot einer Arbeit beim Finanzamt nicht ausschlagen wollen.

Glücklich kann das Klaus Thormeier nicht machen, auch wenn er Verständnis zeigt und sich sogar persönlich bei Gudrun Witts zukünftigem Arbeitgeber überzeugt hat, daß Frau Witt nicht etwa nur kurzfristig zur Überbrückung eines Engpasses eingestellt wird. In dieser Schule, in den Reden der Schüler und Dozenten ist etwas, bekannt und doch ungewohnt.

Beim Abschied fällt es nochmal auf: „Wir haben uns über ihr Interesse gefreut“, sagt Klaus Thormeier. Richtig: wir.