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Nicht nur in der Sprache schlampig...

■ Kommentar „Folter für Friedensbewegung“, taz v. 20.3.91

Sprachliche Schluderigkeit, mangelndes Geschichtsbewußtsein und schlampige Recherche — dem Kommentator der Lokal-taz v. 20.3. ließen sich viele Vorwürfe zugleich machen: Angefangen von der Überschrift (“Folter für Friedensbewegung“), die Erinnerungen an das böse Wort von den „gaskammervollen Diskotheken“ (abgedruckt im Kulturteil der taz-Berlin) weckt, über die Verhöhnung vorwiegend kirchlicher Protestformen bis zum Weglassen von Zitaten aus dem vermeintlich nichtssagenden Ostermarsch-Aufruf ist der Beitrag von Markus Daschner ein denkwürdiges Beispiel für alternativen Journalismus.

Niemand wird den MitarbeiterInnen der taz-Bremen vorwerfen können, daß ihre — unter dem Druck des Tageszeitungsgeschäfts geschriebenen — Kommentare nicht immer von gleicher Qualität sind. Sie müssen sich jedoch sagen lassen, daß ein Kommentator, der sich um einer gewollt komischen Formulierung willen nicht scheut, nach Folter zu verlangen, besser nicht in Ihrem Blatt veröffentlichen sollte.

Dabei hätte die Friedensbewegung schärfere Kritik durchaus verdient.

Im Aufruf zum Protest vor der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Garlstedt wird zwar die Militarisierung der Politik beklagt und von „Abscheu gegen den Massenmord am Golf“ gesprochen, zur Androhung von Giftgaseinsätzen gegenüber Israel aber geschwiegen. Mehrere Jahre ist es her, daß ein ausländischer Redner — auf Bitten autonomer Gruppen — in Garlstedt die menschenverachtende Praxis des israelischen Militärs in den besetzten Gebieten anprangern konnte. Unangenehm wirkt es jetzt, wenn zur Kontroverse um die israelische Bitte um Raketen vom Typ „Patriot“ jede direkte Stellungnahme der Ostermarsch- Organisatoren fehlt.

Die berechtigte Forderung nach „unbedingtem Vorrang politischer Mittel zur Konfliktlösung“ kann nicht vergessen machen, daß es Bedrohungen gibt, in denen die klassischen Widerstandsformen der europäischen Friedensbewegungen kläglich versagen würden.

Thomas Pörschke

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