Ost-Sozialarbeiter sind Mangelware

■ Berliner Nachqualifizierungsmodell soll ehemalige FürsorgerInnen im Ostteil der Stadt auf bundesdeutschen Standard trimmen/ Ost-Sozialämter brauchen dringend qualifiziertes Personal

Berlin. Das Netz der Sozialarbeiter in der ehemaligen DDR war recht dünn geknüpft. Jedenfalls, wenn man es mit dem alt-bundesrepublikanischen Standard vergleicht. Die übliche Qualifikation eines abgeschlossenen Hochschulstudiums erfüllt kaum einer der im Sozialbereich arbeitenden Ostler. Sie wurden vorwiegend auf medizinischen Fachschulen als mittleres medizinisches Personal ausgebildet oder kamen von der einzigen Fachschule für Gesundheits- und Sozialwesen in Potsdam, die jährlich nur von 200 FürsorgerInnen besucht wurde.

Mit dem »Berliner Nachqualifizierungsmodell« will das Institut für Soziale Planung, Beratung und Organisation zusammen mit der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik hier ein Stück dringend notwendige Aufbauarbeit leisten. Vorerst sollen nur FürsorgerInnen, die dem westdeutschen Sozialarbeiter-Status am nächsten kommen, in einem 560stündigen Crash- Kurs auf den Stand der West-Kollegen gebracht werden. Die Ost-Ausbildung war sehr medizinisch orientiert, weil die soziale Frage in der EX-DDR der gesundheitlichen untergeordnet wurde. Der sozialpsychologische und -pädagogische Aspekt spielte dabei kaum eine Rolle und soll jetzt in der Nachqualifizierung nachgeholt werden. Mit der Weiterbildung streben die Initiatoren des Projektes auch eine Gleichstellung der FürsorgerInnen mit den SozialarbeiterInnen im Westen an.

Etliche werden so vor der Arbeitslosigkeit gerettet werden können. Denn durch den Zusammenbruch des früheren Sozial- und Gesundheitsnetzes fallen auch diejenigen durch den Rost, deren Ausbildung keine Anerkennung im Einigungsvertrag findet. Durch die Privatisierung der Polikliniken sind vor allem die im nachsorgenden Bereich Tätigen von Entlassungen bedroht. Die BetreuerInnen und Pflegekräfte nimmt kaum ein sich niederlassender Arzt mit in seine neue Praxis. Dagegen brauchen die Sozialstationen, die in jedem Bezirk aufgebaut werden, entsprechende Fachkräfte.

Auch die neuen Sozial- und Jugendämter in Ost-Berlin haben ungeheure Probleme, qualifiziertes Personal einzustellen. In der gesamten ehemaligen DDR gab es nur 800 Sozialfürsorger, in Westberlin dagegen mindestens 3.300 Sozialarbeiter und -pädagogen. Aber der Vergleich hinkt, denn wesentlich mehr Fachkräfte erfüllten bei der Jugendhilfe, der Volksolidarität und den Beratungstellen soziale Aufgaben. Ein Großteil jedoch wurde in nebenberuflicher Arbeit abgeleistet. Die Fachhochschule ermittelte in einer Studie eine Bedarf von fast 4.000 Sozialarbeitern in Ost-Berlin.

Der Personalmangel in den Ämtern liegt zum einen daran, daß sie sich aus den ehemaligen Stadtbezirksräten rekrutieren sollen, wo es aber jene Fachkräfte kaum gibt. Zum anderen sind ihre Stellenplanungen von der Senatsinnenverwaltung so eng bemessen, daß sie die zunehmende Arbeit überhaupt nicht bewältigen können. Oft wurde, wie in Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen nur die Hälfte der notwendigen Stellen bewilligt. Der Sozialpädagoge Fred Bäcker, Leiter des Institutes für Soziale Planung, Beratung und Organisation, rechnet damit, daß beim Aufbau eines funktionierendes Sozialnetzes im Osten »die nächsten zehn Jahre nur Stückwerk betrieben werden kann«. Er habe schon erlebt, daß ein ganzes Architektenbüro geschlossen als SachbearbeiterInnen in ein Sozialamt eingezogen sind. Da fehle doch jegliche Voraussetzung für diesen Job, weshalb das »Nachqualifizierungsmodell« auf die vorhandenen Erfahrungen der Ost-FürsorgerInnen aufbauen will. Trotzdem befürchtet Bäcker, daß man sich ein »Stück abwärts bewegen werde von dem hier üblichen Niveau der Sozialarbeit«. anbau