Witze und Sex über die heiße Linie

Politiker und Sexologin spielen mit beim neuen Telefondienst in Skandinavien  ■ Aus Stockholm R. Wolff

Eine bestimmte Telefonnummer in Oslo: Der Außenminister meldet sich und erzählt eine Anekdote aus seinem politischen Leben. Und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nein, der gestreßte Thorvald Stoltenberg sitzt nicht geduldig in seinem Büro und pflegt Bürgernähe — das ist nicht aktuell, schließlich sind die Wahlen gerade erst vorbei. Es ist auch keine Geheimnummer, um den geselligen Außenminister abends vor dem Fernseher aufzustöbern. Man hat lediglich einen Anrufbeantworter angewählt. Einen von der neuen Sorte, mit vielen eingebauten Chips, so daß Hunderte von AnruferInnen gleichzeitig bedient und die Geschichte immer gleich von vorn hören können.

Der Außenminister tut das Ganze zum Wohle der Parteikasse. 020-Nummer heißt der neue Service der norwegischen Telefongesellschaft, oder hochtrabender „Telemarkt“: Die AnruferIn zahlt. Nicht nur die normalen Telefongebühren, sondern gleich das Mehrfache, runde 1,50 DM pro Minute. Die Differenz zu den normalen Telefongebühren teilen sich AngerufeneR und das Televerket. Ist es bei Stoltenberg die Parteikasse, die ein paar Zusatz- Kronen kassieren will, so stecken hinter anderen 020-Nummern Geschäftemacher, Behörden oder Leute, die auch mal versuchen wollen, ob sich das ganze lohnt.

Die Tageszeitungen sind mittlerweile voll mit Anzeigen, in denen 020-Nummern ihre Dienste anbieten. Horoskop-Nummern sind gleich dutzendweise zu finden, an Sexratschlägen mangelt es auch nicht und wer die Einsamkeit überwinden will, wählt 020-60051, die direkt zum „Kontakttelefon Teletreff“ führt. Vielleicht hat gerade die Partnerin fürs Leben die gleiche Anwandlung gehabt und man trifft sich. Für 5,33 Kronen (1,50 DM) pro Minute.

In Schweden hat sich eine gerade neugegründete populistische Partei entschlossen, ihre Ausgaben weitmöglichst durch AnruferInnen decken zu lassen. Neunzehn Kronen und 20 Öre werden beim Telefonabonnenten pro Minute abgebucht, wenn er erfahren will, welche Neuigkeiten der Parteivorsitzende denn heute zu erzählen hat. Das beginnt dann mit ein paar Takten feierlicher Musik und dem Bescheid, man tue durch den Anfruf der „Neuen Demokratie“, so der hochtrabende Parteinahme, etwas Gutes, schließlich könne diese sich nicht aus Steuern finanzieren, wie die Großen. Und überhaupt: Wie gehe es doch Frau und Herrn Svensson so schlecht, seine Oberen gönnten ihnen nicht einmal das abendliche Bier in einer Kneipe. Danach darf die AnruferIn richtig aktiv werden. Je nachdem, ob Fragen mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, wird man zu alternativen Botschaften weitergeschaltet. Die Partei bietet auch eine richtige Servicelinie, die „Moneyline“, auf der man dann erfahren kann, wie man die Kronen — die ja eigentlich das Finanzamt schon alle kassiert haben müßte, glaubt man der „Neue Demokratie“-Botschaft — am besten anlegt.

Wählt man 0712-88200 kommt man zu Malenas Linie. Bei der Frau mit dem Titel „Sexologin“ erfährt man, was Frauen anmacht und frau wie Männer angemacht werden. Will man sich mal so richtig informieren, was die anderen 16 Nummern von Malenas Linie zu bieten haben — „Einen Partner finden“, „Was passiert beim Küssen“, „Das Sexproblem des Tages“ —, wird die vierteljährliche Telefonrechnung leicht einige Tausend Kronen fetter. Denn natürlich ist es nicht mit ein, zwei Minuten getan. Die Gespräche sind meist so aufgebaut, daß die AnruferIn animiert wird dranzubleiben, sich weiterzuwählen („Drück auf die eins, wenn dich A mehr interessiert, die zwei, wenn du mehr über B wissen willst, auf drei...).

Im Prinzip kann JedeR eine 071er- Linie aufmachen. Einzige Bedingung des Televerket: Ein Mindestumsatz im Vierteljahr von umgerechnet knapp 9.000 DM. Beschränkungen: Keine Linie darf den Anrufer länger als 30 Minuten bei einem Anruf an der Strippe halten, keine Gewalt, kein Sex — außer „sauberen“ Ratgeber-Informationen, wie bei Malena —, kein Rassismus und sonstwie Ungesetzliches. Mit einem Anrufbeantworter für 195 DM ist es natürlich nicht getan, will man bei 071 mitmischen. Eine ordentliche Anlage mit 300 gleichzeitigen Anrufmöglichkeiten und Technik zur alternativen Weiterschaltung auf verschiedene Anschlußlinien ist unter einer knappen halben Million nicht zu haben. Man kann die Ausrüstung auch leasen und teilt dann mit dem Televerket und dem Leasinggeber die 4 Kronen 55 Öre, die eine AnruferIn pro Minute investieren muß, beispielsweise bei Malena über die Bedeutung der Größe des Penis aufgeklärt zu werden.