Und nun beginnt alles von vorn

■ Nach der Handball-Vorrunde führt Gummersbach, aber alle Teams haben ihre Chance

Berlin (taz) — Rückschau: Vor einem Jahr wurde der nationale Handball-Meister männlich erstmals im Play-Off-Verfahren gesucht und ermittelt. Zum Leid der Spieler und Trainer, zur Spannung der Fans und zur großen Freude der Vereinskassierer ging die Meisterschaft erst richtig los, wo sie sonst zu Ende war. Damals erwarb sich TuSEM Essen als Erster der Vorrunde das Privileg, im Viertelfinale gegen den Achten zu spielen. Das war der TBV Lemgo, der sich gerade so in die Play-Offs gemogelt hatte. Eine störende Pflichtübung für die Essener, schweißfrei im Vorübergehen zu bewältigen vom Starensemble — dachte TuSEM wohl. Und verlor gegen Lemgo.

All die vielen erfolgreichen Punktspiele wurden bedeutungslos. Die Titelvergabe fand ohne Essen statt. Der Verein wetterte umso heftiger gegen das neue, ach so ungerechte System. Die Kritik ist längst verstummt und TuSEM wurde schlauer, belegte nur Platz vier und trifft damit in der Runde der letzten Acht gleich auf harte Konkurrenz: Bayer Dormagen (5.). Überhebliche Ausrutscher sind ausgeschlossen.

Anschau: Die Last des Favoriten bürdete sich in dieser Spielzeit der VfL Gummersbach auf. Auf der Zielgeraden fing der bundesdeutsche Rekordmeister den monatelangen Tabellenführer Wallau-Massenheim um ein Pünktchen ab. Am 6.März schaute sich der VfL die Konkurrenz erstmals „von oben“ an, die Aussicht gefiel ihm. Aber die Gummersbacher sind gewarnt, denn sie treffen im Viertelfinale auf niemand anderen als den TBV Lemgo, den Favoriten-Schreck vom Vorjahr, der am Ende erst im Finale von Großwallstadt gestoppt wurde. Eine Belohnung hat Gummersbach aber auf jeden Fall schon erhalten: Mit einem Team der Oberliga Ost wird sich der VfL um einen IHF-Cup-Platz streiten.

Ganz egal, wie diese Meisterschaft für den derzeit erfolgreichsten Verein der Bundesliga ausgeht, eine Ära endet auf jeden Fall: Die „gute Seele des Vereins“ Eugen Haas verläßt nicht mehr wild gestikulierend die Trainerbank sondern nach vierzig Jahren seinen Managerstuhl. Trainer Heiner Brand macht anscheinend ernst und mindestens ein Jahr Pause und das Torwart-Phantom Andreas Thiel wechselt nach Dormagen.

Vorschau: Im Grunde genommen ist der Rest der Meisterschaft ziehmlich egal. Stuttgart-Scharnhausen benutzt wie vor einem Jahr den Liga-Fahrstuhl, diesmal allerdings eine Etage abwärts. Als Vorletzter rettete sich der Titelverteidiger TV Großwallstadt mit Ach und Krach vor einer Katastrophe ins handballspielende Oberhaus.

Mit Eitra und Hameln stehen auch die beiden Aufsteiger schon fest. Vor allem Hameln wird im Ensemble der etablierten Teams neue Töne anschlagen wollen. Keine Mannschaft hat so vom Ausverkauf des DDR- Handballs profitiert: Nach dem Magdeburger Torhüter Wieland Schmidt und den Rostocker Stars Frank Wahl und Matthias Hahn, kaufte Hameln jetzt den Berliner Preußen seine beiden Außenspieler Lache und Sonnenfeld weg. Fortsetzungen werden folgen, denn im nächsten Jahr werden die Ost-Vereine in der zweigeteilten Bundesliga zur direkten Konkurrenz.

Ein erstes Kräftemessen wird es noch in diesem Frühjahr zwischen beiden Meistern und Pokalsiegern geben. Beim Streit um die lukrativen EC-Plätze wird dann zum letzten Mal der alte Klasenkampf aufflammen. bossi

Play-Offs:1. Gummersbach 35:17, 2. Wallau- Massenheim 34:18, 3. Kiel 31:21, 4. Essen 29:23, 5. Dormagen 27:25, 6. Schutterwald 27:25, 7. Leutershausen 26:26, 8. Lemgo 26:26,

Bundesliga, Männer, Abschlußtabelle:

Pause: 9. Fredenbeck 23:29, 10. Bad Schwartau 23:29, 11. Niederwürzbach 22:30, 12. Milbertshofen 22:30, 13. Großwallstadt 20:32,

Abstieg: 14. Stuttgart-Scharnhausen 19:33.