Kuwait: Irak-Fluchtgelder in Genf sollen blockiert werden

■ Mit Abzug eigener Milliarden-Guthaben gedroht/ Botschafter als Autodieb

Basel/Genf (taz) — Kuwait droht europäischen Banken mit dem Rückzug seiner Milliardeneinlagen, wenn sie nicht unverzüglich geheime irakische Fluchtgelder blockieren. Dies haben Diplomaten des Öl-Emirats in den USA und in Europa bestätigt. Die Drohung richtet sich vor allem gegen zwei Schweizer Großbanken: Allein über diverse Konten in Genf soll der Hussein-Clan privat rund fünf Milliarden US-Dollar ins Ausland geschleust haben.

Nach dem Überfall irakischer Truppen beauftragte die kuwaitische Exilregierung britische und US- Wirtschaftsauskunfteien sowie Privatagenten mit der Auskundschaftung der Kanäle, über die das UNO- Embargo umschifft wurde. Eine große US-Detektei wurde speziell auf Saddam Husseins private Fluchtgelder angesetzt. Sie fand heraus, daß der Saddam-Clan auch noch nach der Verhängung des UNO-Embargos, das auch Finanzdienstleistungen einschloß, Riesensummen aus dem Land herausgeschleust hat. Als Drehscheibe der Operationen orteten die Späher die irakische Mission am europäischen UNO-Sitz in Genf, der Saddams Halbbruder Barzan al-Takriti vorsteht. Barzan war irakischer Geheimdienstchef und wirkt nach West-Geheimdiensterkenntnissen unter dem Schutzmantel der diplomatischen Immunität als Schlüsselfigur bei Waffeneinkäufen und Finanztransfers.

Von Genf aus strickte er ein weitverzweigtes Netz von Tarnfirmen und Bankverbindungen, um Rüstungstechnologie — die seit letztem Sommer Embargogut ist — in den Irak und umgekehrt Gelder ins Ausland zu schummeln. Dabei kamen die Bedürfnisse der Diktatoren-Sippe nicht zu kurz: So ließen sich die Irakis beispielsweise von einer britischen Werkzeugmaschinenfirma für Lieferungen in den Irak um 5 bis 15 Prozent überhöhte Rechnungen ausstellen, die aus der Staatskasse in Bagdad beglichen wurden. Die Differenz zahlte die britische Firma später zurück; sie floß über Strohmänner in Paris und Zürich auf Privatkonten des Saddam-Clans.

Auch von Zahlungen für Öllieferungen zwackte Barzan regelmäßig sein Scherflein für die Familie ab. Nach dem UNO-Embargo wurden die Transaktionen, so fanden Kuwaits Späher heraus, über irakische Staatskonten bei der jordanischen Nationalbank abgewickelt.

Außer den beiden schweizer Großbanken sind auch ein Geldhaus in London sowie ein arabisch-europäisches Konsortium unter Druck geraten: Die kuwaitische Regierung wirft ihnen nun Beihilfe zur Umgehung des UNO-Embargos vor, verlangt die Blockierung der Hussein- Fluchtgelder und drohen andernfalls mit dem Abzug ihres eigenen Kapitals. Und dies hat einiges Gewicht: Nach einer Statistik der Schweizer Nationalbank hatte Kuwait bereits Ende 1989 auf Schweizer Bank- oder Treuhandkonten 3,7 Milliarden Franken deponiert. Das Gesamtguthaben arabischer Staaten auf eidgenössichen Banken (ohne den Irak) stieg zwischen März und September letzten Jahres von 5,8 auf 8,4 Milliarden Franken. Es wird davon ausgegangen, daß der Großteil dieser Gelder vom Kuwaitischen Investment- Büro angelegt wurden.

Die Banken geben sich ahnungslos

Ein Teil des Saddam-Geldes wurde bereits für private Zwecke wieder ausgegeben — unter anderem zum Kauf von Saddam Husseins Privatjacht „al-Mansur“, die als viertgrößte der Welt gilt. Die verbliebenen rund fünf Milliarden Dollar sind für die Regierung des Emirats auch bedeutsam, weil die Reparationszahlungen, die der Irak laut den Beschlüssen des UNO-Sicherheitsrates an das durch Besetzung und krieg schwer geschädigte Nachbarland wird zahlen müssen, in ihrer Höhe noch nicht festgelegt sind.

Nach außen hin geben sich die im Bericht der US-Wirtschaftsdedektei als Embargo-Brecher genannten Schweizer Großbanken noch ahnungslos. Eine kuwaitische Drohung wollen sie bisher nicht erhalten haben. Jedenfalls wies die schweizerische Bankiersvereinigung am letzten Mittwoch auf Wunsch des Bundesamtes für Außenwirtschaft die Geschäftsbanken des Landes darauf hin, daß die irakische Rafidain-Bank ihre Konten bei der jordanischen Zentralbank dazu nutze, Geldtransaktionen abzuwickeln, die dem Irak- Embargo zuwiderlaufen.

Ein Sprecher des Schweizer Bankvereins erklärte, auf Grund der nach den Fluchtgeld-Skandalen der letzten Jahren eingeführten Vorsichtsmaßnahmen müßten inzwischen bei jeder Kontoeröffnung eine ganze Reihe von Unterlagen wie Handelsregisterauszüge oder Bankenauskünfte vorgelegt werden. Daher sei es unwahrscheinlich, daß eidgenössische Geldinstitute in nennenswertem Umfang zur Umgehung des Irak-Embargos benutzt worden seien. Dieser Darstellung widerspricht unter anderem die in Zürich ansässige „Aktion Finanzplatz Schweiz“. Laut einer in ihrem Auftrag erstellten Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens McKinsey werden von Schweizer Banken nach wie vor Fluchtgelder in Höhe von über 250 Milliarden Franken verwaltet.

Daß seine Eminenz Barzan al- Takriti bei der Mehrung des Clanvermögens auch vor simpler Straßenräuberei nicht zurückschreckt, bezeugen zwei Neuzugänge im Fahrzeugpark der Genfer Botschaft. Zu dem zählen seit knapp zwei Monaten ein dunkelblauer, gepanzerter Mercedes und ein beige-metallic lackierter BMW. Die Nobelkarossen fegten einst über die Wüsten-Highways von Kuwait. Der Diplomat, der dem britischen Geheimdienst zufolge in den ersten Wochen nach dem irakischen Überfall auf Kuwait persönlich die Plünderungen kommandierte, hat sie dort schlichtweg von der Straße weg geklaut. Jetzt läßt er sich darin, von den diskreten Behörden der Schweiz unbehelligt, entlang den Gestaden des Genfer Sees chauffieren — mit CD-Schildchen und steuerfrei.

Th.Scheuer/ A. Zumach