Folter ist bei Verhören von Palästinensern Routine

Ein jetzt vorgelegter Bericht bringt grausige Details über die Verhörmethoden des israelischen Geheimdienstes  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Schwere Mißhandlungen und Folter gehören bei Verhören von Palästinensern durch den israelischen Geheimdienst GSS (General Security Service/ Schabak) praktisch zur Routine, so das Resümee eines 110 Seiten starken Berichts, den das israelische Menschenrechtsinformationszentrums „Bazelem“ jetzt veröffentlicht hat. Die mit großer Genauigkeit durchgeführte Studie wurde von zwei israelischen Forschern verfaßt: Prof. Stanley Cohen, Kriminologe der Universität Jerusalem, und Dr. Dafna Golan, ebenfalls von der Hebräischen Universität. Verarbeitet und dargestellt wurden Interviews mit 41 Palästinensern, die bereit waren, ihre Foltererfahrung in allen Details wiederzugeben.

Insgesamt werden elf „gängige“ Foltermethoden beschrieben, darunter lange Isolationshaft in engen Kästen und „Särgen“, in denen man nur hocken oder stehen kann, oder auch in „Kühlschränke“ genannten, völlig unterkühlten engen Zellen; verschiedene Formen der Fesselung in körperverrenkenden Positionen, wobei die Opfer verhört und geschlagen, angespuckt oder mit Wasser begossen werden; Verwendung von stinkenden Säcken, die den Gefangenen über Kopf und Schultern gebunden werden, während sie gezwungen sind, lange Zeit zu stehen, und dann verhört werden und Schläge beziehen; Todesdrohungen und Belästigung der Familien der Gefangenen; Kombination dieser Methoden mit Schlafentzug und Hungerperioden; kalte Duschen im Winter; Verprügelungen mit verschiedenen Instrumenten, während die Opfer wehrlos angebunden sind; Zwang, auf nassen Fußböden zu sitzen.

Interviewt wurden 26 inzwischen freigelassene Palästinenser und 15 noch inhaftierte. Die Inhaftierten machten ihre Angaben auf Fragebögen oder vermittels ihrer Anwälte, die eine Erlaubnis zum Besuch ihrer Mandanten im Gefängnis hatten. Die Aussagen wurden unter Eid gemacht und wo dies möglich war in Anwesenheit anderer Personen, die als Zeugen fungierten. In fast allen untersuchten Fällen handelt es sich um Palästinenser, die keinerlei schwere Verbrechen begangen haben, sondern Steine auf Militärautos geworfen haben oder die versucht hatten, Kontakt mit sogenannten illegalen Organisationen (zur PLO zählende Gruppen) aufzunehmen. Jungen unter 20 Jahren sowie Frauen in israelischen Gefängnissen wurden nicht befragt. Von den 41 untersuchten Fällen hatten 16 eine Krankenhausbehandlung nötig, nachdem sie durch die „GSS-Maschine“ gegangen waren. Die Herausgeber des Berichts weisen daraufhin, daß im Zeitraum von 1989 und 1990 fünf gefangene Palästinenser während ihrer Verhöre gestorben sind. 13 weitere Gefangene sind während ihrer Inhaftierung ums Leben gekommen.

Folterung bei Verhören der palästinensischen Gefangenen im Verlauf der dreijährigen Intifada fanden in zehn verschiedenen GSS-Abteilungen in Gefängnissen in Jerusalem, Gaza und der Westbank statt; die beiden Autoren des Berichts, Prof. Cohen und Dr. Golan, verlangen, daß die Regierung eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzt, die die in dem Bazelem-Bericht enthaltenen Anschuldigungen und das Folterproblem hier überhaupt überprüft. Die Veröffentlichung der Information sei wichtig, damit niemand in der israelischen Öffentlicheit sagen kann, „er hätte nichts gewußt“. Die beiden Forscher weisen auch darauf hin, daß sich Soldaten, Aufseher und Gefängnispersonal, Ärzte und Militärrichter, die unter Folter gemachte Geständnisse akzeptieren, der Verbrechen mitschuldig machen, wenn sie direkt oder indirekt als schweigende Zeugen an den Mißhandlungen von palästinensischen Gefangenen teilhaben.

Der Sprecher der israelischen Armee kritisierte den Bazelem-Bericht, der veröffentlicht wurde, noch bevor das Militär Gelegenheit zu einer Stellungnahme hatte. Gleichzeitig hat die Armee die Folterbeschuldigungen weder dementiert noch bestätigt. Der Armeesprecher erklärte lediglich, daß in jedem Fall einer Beschwerde eines Gefangenen eine Untersuchung durch das Militär erfolgt.

Um wie viele palästinensische Gefangene handelt es sich? Nach Angaben des israelischen Militärsprechers vom Februar dieses Jahres wurden ungefähr 75.000 Palästinenser im Laufe der Intifada verhaftet, also im Durchschnitt 25.000 in jedem der drei Aufstandsjahre. Davon wurden jährlich 15.000 vor Gericht gestellt. Die Herausgeber des Bazelem-Berichts waren nicht in der Lage, genaue Informationen über die Zahl der vom GSS Verhörten zu bekommen, aber die Annahme ist, daß jährlich rund 8.000 palästinensische Gefangene durch die „GSS-Maschine“ gehen müssen und längere Verhöre mitmachen. Nach Schätzung der Forscher werden jährlich mindestens 1.600 Palästinenser unter Anwendung der detailliert beschriebenen Foltermethoden verhört.

Gleichzeitig, aber unabhängig von dem Bazelem-Bericht, hat die israelische „Frauenorganisation für politische Gefangene in Israel“ bekanntgegeben, daß es in der letzen Zeit einige Fälle von „Vergewaltigungsdrohungen und extreme Formen psychologischen und physischen Drucks“ gegen eingekerkerte palästinensische Frauen gegeben hat, um die Inhaftierten zu Geständnissen zu zwingen. So sagte Frau Faiza Fodeh aus Akko unter Eid aus, daß sie ein Geständnis zu Hochverat nur unter extremem psychologischem Druck unterschrieben hat. Man habe ihr gedroht, sie zu vergewaltigen und sie danach mit ihrer kranken Mutter zu konfrontieren — auf eine Weise, die den Tod der Mutter verursachen würde. Ähnliche Methoden wurden nach Angaben der Frauenorganisation auch gegen Chawla und Fatmeh El Azrak aus dem Aida-Flüchtlingslager angewendet. Während einiger Tage in Haft erhielten sie weder Nahrung noch Wasser. In dieser Zeit waren sie an Eisenstangen gefesselt und wurden geschlagen. Während ihres Verhörs hat man sie mit Vergewaltigung bedroht. Später wurden sie entlassen, Gerichtsverfahren haben nicht stattgefunden.