„Im Sozialismus felsenfest“

In seiner Eröffnungsrede zum Nationalen Volkskongreß kündigte der chinesische Ministerpräsident Li Peng an, der Gesellschaft „brutale Schocks“ durch Reformen ersparen zu wollen  ■ Aus Peking Simon Long

Der chinesische Ministerpräsident Li Peng warnte gestern vor „feindlichen Kräften des Auslands“, die versuchen, China zu „unterwandern, zu spalten und zu sabotieren“. Die demokratische Diktatur des Volkes werde aufrechterhalten, versicherte er. In seiner Schlüsselrede zur Eröffnungssitzung des diesjährigen Volkskongresses entwarf Li Peng außerdem eine konservative und vorsichtige Stategie für die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten zehn Jahre.

Ritueller Beifall der 3.000 Delegierten unterbrach die langweilige Drei-Stunden-Rede immer dann, wenn seine erhobene Stimme einen Höhepunkt ankündigte. Hinter ihm saßen Chinas höchste Führer, mit der bemerkenswerten Ausnahme von Deng Xiaoping, der offiziell alle politischen Funktionen abgegeben hat, trotz Abwesenheit aber wieder ins Präsidium gewählt wurde. Die Rede zeugte von mehr Selbstvertrauen und Optimismus als im vergangenen Jahr, als sich der Ministerpräsident, erschüttert von Protesten 1989 in China und dem Zusammenbruch der Regierungen in Osteuropa, in die Enge getrieben sah.

Li Peng machte jedoch klar, daß das jüngste Selbstbewußtsein seiner Regierung nicht zur politischen Entspannung führen wird. Er wetterte gegen die schädlichen Einflüsse der „bürgerlichen Liberalisierung“ — sprich liberale, westliche Ideen — und sagte, „daß auch im Angesicht der in- und ausländischen Probleme das sozialistische China auf felsenfestem Grund steht“. Er wiederholte Behauptungen der chinesischen Führung, daß sich westliche Regierungen in Hoffnung auf eine „friedliche Evolution“ zum Kapitalismus verschwören, um China zu unterwandern.

Li Peng skizzierte außerdem die wirtschaftlichen Strategien der Regierung für die nächsten zehn Jahre. Das Bruttosozialprodukt soll ein jährliches Wachstum von durchschnittlich sechs Prozent erreichen. Damit ist es niedriger als die erreichten neun Prozent der 80er Jahre und niedriger, als es viele Wirtschaftsfachleute und regionale Politiker in der kommenden Dekade gerne hätten.

Der Ministerpräsident versprach die Politik der „Reformen und Öffnung“ fortzuführen, hatte allerdings keine neuen Reformen anzubieten. „Bevor Reformen eingeführt werden“, erklärte Li Peng, „muß geprüft werden, ob sie dem Land, den Unternehmen und den Leuten zuzumuten sind, damit ein brutaler Schock für die Gesellschaft vermieden wird.“

Dieselbe Furcht vor brutalen Schocks wird die Regierung ebenfalls veranlassen, trotz ihrer unsicheren Finanzen weiter lieber den unrentablen, staatlichen Industriebetrieben aus der Patsche zu helfen als einen starken Anstieg der Arbeitslosenraten in Kauf zu nehmen.

Trotz des unvermeidlichen optimistischen Tons benannte Li Pengs Rede doch offen den Katalog der sozialen und wirtschaftlichen Probleme Chinas. Das Bevölkerungswachstum ist „ziemlich trostlos“, sagte er und warnte vor einem sich abzeichnenden Babyboom, der das neue wirtschaftliche Wachstum auffrist.

In bezug auf die Wirtschaft attackierte er unfähiges Management, unmäßige Dezentralisierung, ungleiche regionale Entwicklung sowie viele Unregelmäßigkeiten im Außenhandel. Als weitere gesellschaftliche Probleme beklagte er die Vernachlässigung der ideologischen Erziehung, den Mangel an Respekt vor den Gesetzen und eine ununterbrochene Welle der Kriminalität. „Wir müssen daran arbeiten, Einheit und Stabilität zu wahren. So beschützen wir unsere Augen“, endete er seine Rede.