Fliegende Leckerbissen

Im Land der gehobenen Eßkultur haben sie mal wieder was Neues in der Pfanne. Die Feinschmecker Frankreichs fahren gerade total auf Insekten ab. Nicht ganz unschuldig an dem neuen Trend ist Bruno Comby, der mit seinem Buch „Köstliche Insekten“ für einige Aufregung in den Freßtempeln der Seine-Metropole sorgte. Seine afrikanisch und orientalisch inspirierten Rezepte zur Zubereitung von Paarflüglern werden eifrig nachgekocht. Comby selbst ist ein glühender Anhänger unverfälschter, natürlicher Nahrung. Er verzehrt Insekten mit Vorliebe lebend und dementsprechend ungegart. Bienen schmecken, wie er findet, nach würzigem Lebkuchen. Ameiseneier erinnern ihn an Baisers. Von Tannenzapfen gesammelte Insektenlarven zergehen ihm wie Butternudeln auf der verwöhnten Zunge, und den Geschmack von Fliegen verglich er mit Kaviar. Na, da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen.

„In Europa wird als einziges Insekt die Seidenraupe industriell gezüchtet. Die Seide wird aus dem Konkon gewonnen und der Wurm selbst weggeworfen. Welche Vergeudung, der Wurm schmeckt nämlich köstlich. Unter dem Blickwinkel der Ernährung wäre es vernünftiger, die Seide fortzuwerfen und den Wurm zu verwerten oder ihn zumindest den Menschen zukommen zu lassen, die vor Hunger sterben“, schlägt der Autor vor. Mit den kleinen Tierchen ließe sich nicht nur das Problem der chronischen Unterernährung in vielen Regionen der Dritten Welt lösen, sondern auch das der Überernährung in den Industrieländern. Insekten sind, wie Comby darlegt, eine unerschöpfliche und gleichzeitig rationelle Quelle bekömmlicher tierischer Proteine und deshalb die Chance, den Hunger in der Welt durch eine gesunde Ernährung auszuschalten. Bis eine industrielle Produktion von Insekten zu Nahrungszwecken anläuft, empfiehlt Comby die Aufzucht von als besonders schmackhaft gepriesenen Grillen. Ekel und Abscheu vor Insekten sei nur oberflächlich und vergehe beim ersten Bissen, weiß der Naturapostel. „Wir essen Gekröse, Nieren und Hoden, Froschschenkel und Schnecken, warum soll man Larven und Raupen verschmähen?“ Ja, warum eigentlich? Ich werde auf jeden Fall den Tip an unsere Kantine weiterleiten. Bis sie die neuen Rezepte im Griff haben, besorg' ich mir aber schon mal 'ne Flasche Ketchup und werde mich dann um die beiden Stubenfliegen kümmern, die mich schon die ganze Zeit so lecker anlachen. Karl Wegmann