Neue Razzia bei RAF-Gefangenen

Ermittlungsverfahren wegen „illegalem Info-System“ geht weiter/ Anwältin kritisiert „allzeit verfügbare Durchsuchungsbeschlüsse“/ Auch Verfassungsschutz kritisiert Verfahren gegen Gefangene  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) — Zwischen Montag und Mittwoch vergangener Woche sind erneut die Zellen von 16 Gefangenen aus der RAF in sechs Knästen gefilzt worden. Im Durchsuchungsbeschluß wird den Inhaftierten vorgeworfen, ein sogenanntes „illegales Informantionssystem“ aufgebaut und unterhalten zu haben. Grundlage der Zellenrazzien ist ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a des Strafgesetzbuchs („Terroristische Vereinigung“), mit dem die Bundesanwaltschaft (BAW) bereits im März 1990 insgesamt 25 Gefangene überzogen hatte.

Die Aktion in der vergangenen Woche beruht auf einem Beschluß, den der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof schon am 3. Dezember vergangenen Jahres erlassen und am 11. März erneut bestätigt hatte. Im Dezember sei die Durchsuchung aus „im wesentlichen organisatorischen Gründen nicht vollzogen“ worden, heißt es lapidar in der aktuellen Begründung.

Die Hamburger Anwältin Renate Trobitzsch glaubt, daß mit dem Vorgehen der BAW nun das Zeitalter der „,runderneuerten‘ und allzeit verfügbaren richterlichen Durchsuchungsbeschlüsse“ angebrochen sei. Mit den „auf Halde produzierten Beschlüssen“ solle „jede politische Artikulation, die die Anstaltszensur noch passieren konnte, durch Kriminalisierung gestoppt werden“.

Der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Hans-Jürgen Förster, verteidigte gestern die Durchsuchungen in Celle, Bruchsal, Aichach, Frankfurt, Köln und Schwalmstadt. Es bestehe Anlaß zu der Annahme, daß „der konspirative Nachrichtenaustausch zwischen drinnen und draußen fortgesetzt wird“, zitierte der BAW-Sprecher aus dem Durchsuchungsbefehl.

Im Verlauf der Durchsuchungen habe man Dinge gefunden, die an der Postkontrolle vorbeigeschleust worden seien. Förster verwies auch auf eine Erklärung der in Köln einsitzenden Gefangenen Adelheid Schulz, die Mitte Januar „in Untergrundkreisen kursiert“ sei. Ob dieses Papier den Knast „illegal“ oder auf dem normalen Weg verlassen hat, konnte der Sprecher allerdings nicht sagen. Darüber hinaus wollte Förster über die beschlagnahmten Beweismittel nichts Näheres sagen.

Förster wehrte sich auch gegen die Behauptung Trobitzschs, Beamte des Bundeskriminalamts hätten die Zellen in Bruchsal zwei Tage lang in Abwesenheit der Gefangenen durchsucht. Die Gefangenen selbst hätten sich geweigert, bei der Razzia dabeizusein, sagte der BAW-Sprecher.

Kritik an dem Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a übte gestern auch der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Christian Lochte. Er glaube nicht, daß „sich die Bundesanwaltschaft damit einen Gefallen“ tue. Zwar seien die Durchsuchungen selbst rechtmäßig. Er halte es jedoch für unsinnig, die „Gefangenen als RAF weiterzuverfolgen, wenn sie schon einsitzen“. Aus der Sicht des Verfassungsschutzes bilde die RAF eine „politisch gedankliche Einheit aus Kommandoebene, Legalen und solchen RAF- Gefangenen, die sich noch dazuzählen“. Der politische Austausch zwischen diesen Ebenen könne nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Lochte: „Das politische Wollen ist nicht strafbar, nur die Tat.“ Ein Verfahren wäre demnach nur zu rechtfertigen, wenn Gefangene aus der Haft heraus Anschläge planten. Dafür habe es in den vergangenen Jahren nur in einem einzigen Fall einen Hinweis gegeben.