Koalition der nationalen Rettung?

■ Kohl-Regierung: Große Koalition mit den Sozialdemokraten „völlig abwegig“

Gerade rechtzeitig zur Osterpause legten der designierte SPD-Vorsitzende Björn Engholm und der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Heiner Geißler den Journalisten je ein Ei: „Bedingung“ für eine große Koalition seien „Neuwahlen so schnell wie möglich“, verriet Engholm dem 'Spiegel‘. Und Geißler forderte im Rundfunk „einen parteiübergreifenden Solidarpakt“, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den neuen Ländern zu bewältigen. Auch der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hält „so etwas Ähnliches wie eine große Koalition“ nicht nur in den Ländern, sondern jetzt auch in Bonn für „angemessen“.

Sofort hagelte es entrüstete Reaktionen, und die Osterdebatte um die große Koalition kam voll in Gang. Für die CDU schimpfte deren parlamentarischer Geschäftsführer Friedrich Bohl: „Für Koalitionen oder Vorstufen davon mit der SPD ist absolut kein Raum.“ Zwar mache die Regierung im Moment „eine schwierige Phase“ durch, sie habe jedoch „in beeindruckender Weise“ ein Hilfsprogramm für den Osten auf den Weg gebracht. Außerdem habe die SPD, so Bohl, „gar keine Alternativen vorzuweisen“.

Richtig ist, daß sich die Rezepte, mit denen CDU und SPD das wirtschaftliche Chaos im Osten bewältigen wollen, zum Verwechseln ähneln: Beschäftigungsgesellschaften müßten gegründet, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen organisiert und die Infrastruktur ausgebaut werden, tönen Christdemokraten wie Sozis. Björn Engholm fordert — ganz im Einklang mit dem Bundeskanzler und den Unternehmerverbänden — für private Investoren in den neuen Bundesländern „Förderanreize“ und steuerliche „Entlastungen“. Auch gegen die Arbeit der Treuhandgesellschaft haben die Sozialdemokraten keine grundsätzlichen Einwände. Einer großen Koalition steht also nichts mehr im Weg?

Im Moment kann keine der Parteien ernsthaftes Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Der amtierende SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel macht kein Hehl daraus, daß die Sozialdemokraten angesichts der Misere im Osten keine politische Verantwortung übernehmen wollen. Die Regierung solle alleine sehen, wie sie den Karren aus dem Dreck ziehe. Großzügig bietet Vogel dem Bundeskanzler an, die SPD werde sich jedoch „im Falle des nationalen Notstandes“ an der Regierung beteiligen. Noch aber sei es nicht soweit.

Die meisten Christdemokraten fürchten zur Zeit nichts mehr als eine allzu enge Zusammenarbeit mit der SPD. Der Kanzler bekundete gesten in Bonn, er finde Vogels Angebot sowie jegliche Spekulation über große Koalition oder Neuwahl schlicht „abwegig“. Die Regierungskoalition habe schließlich eine satte 60-Prozent-Mehrheit, der „Aufschwung Ost“ werde auch ohne die SPD in Gang kommen. Die SPD versuche „Emotionen anzuheizen“, assistierte CSU-Generalsekretär Erwin Huber.

Hinter den geharnischten Reaktionen steckt die Angst, die Situation im Osten könnte in einigen Monaten so aus dem Ruder geraten, daß CDU und CSU gar nichts anderes mehr übrigbleibt, als eine große Koalition mit der SPD einzugehen. Und die hat schließlich schon einmal mit dem Verlust der Macht für die Christdemokraten geendet. Tina Stadlmayer