Ein Fan hat Single nach London geschickt

■ Vielversprechend: „Party Diktator“ / Wehrschloß-Band vom Bremer Übungskeller zum BBC

Mathias, 24, Bassist, ist angehender Student mit BaföG-Ambitionen. Popel, 27, Schlagzeuger, jobbt sich als Lagerarbeiter durchs Leben. Ole, 25, Gitarrist, arbeitet in der Fahrrad-Manufaktur und Nick, 21, der Sänger, ist Zivildienstleistender. Die Bremer sind Party Diktator. Noch vor einer Woche standen sie mit den Amerikanern „Poison Idea“ auf der Bühne des Aladin und begeisterten das Publikum. Ihr komlexes Konglomerat von druckvollem Rhythmus, manischem Gesang und stilübergreifenden Klangbildern wird auch jenseits des hanseatischen Tellerrandes Beachtung finden. Doch vor dem Aufstieg steht die Arbeit, und das heißt für Party Diktator zur Zeit das Aufnehmen von Demo-Bändern im Übungskeller.

taz: Eine Single habt ihr schon auf dem Markt, ihr tourt durch die Niederlande, durch England und den norddeutschen Raum, aber erst jetzt unternehmt ihr den Versuch, Demo-Material einzuspielen.

Mathias:Bisher haben wir uns nicht darum gekümmert. Gegen Publicity haben wir nichts, aber nur als Lokalmatadoren, die jeden Monat im Bremer Blatt hochgejubelt werden, wollen wir auch nicht dastehen. Eigentlich waren wir schon...

Popel: ... bei Radio Bremen Vier in der Rausch-Hour, wir sind bald auf einer Live-Maxi mit drei amerikanischen Bands auf Platte und im Mai fahren wir zu John Peel nach London, um da Aufnahmen zu machen. Irgendein Fan, wir wissen selbst nicht wer, hat unsere Single nach London geschickt. Peel hat die dann ziemlich oft gespielt und uns dann gefragt, ob wir kommen wollen.

Im Gegensatz zu anderen Bremer Bands kommt ihr nun nicht aus der Ostertor-Szene oder den arrivierten Musiker-Zirkeln.

Popel:Wir kommen alle aus Bands, die unmittelbar hier mit dem JFH „Wehrschloß“ verbunden waren. Beim 2. Off-Festival, dem selbstorganisierten Gegenstück zur Breminale, kam Nick bei unserem Auftritt, damals hießen wir noch Kill Test, auf die Bühne. Als Party Diktator haben bis jetzt 13 Stücke entwickelt, das sind live ungefähr 60 Minuten.

Ole:Aber wir haben 520 Ideen und 150 90er-Kassetten mit Session-Material. Da steckt noch eine Menge drin.

Mathias:Neue Stücke dauern bei uns lange, etwa ein dreiviertel Jahr, weil wir kollektiv entscheiden, welche Anteile wir benutzen, was wir umstellen oder neu einsetzen. Ole: Wir machen das völlig ohne Noten, also mußten wir im Laufe der Zeit erst eine gemeinsame Sprache entwickeln. Mathias mußte zwischen mir und Popel zuerst musikalisch dolmetschen. Nick: Auch sonst gibt es eine Menge Arbeit hier im Haus. Michael Pietsch, unser Manager ist ein richtiger Idealist, der macht mit seinen Konzert-Veranstaltungen keine Mark. Also helfen wir ihm, weil wir uns auch dem Wehrschloß verpflichtet fühlen und außerdem von der wahnsinnigen Arbeit eines Veranstalters lernen können. Dazu gehört auch Bierverkaufen und den Übungsraum ausbauen.

Das hört sich alles sehr arbeitsintensiv an. Wo will Party Diktator denn nun hin?

Nick: 'ne saubere Anlage, ein guter Monitor-Sound muß sein, damit es Spaß macht. Natürlich wollen wir auf größeren Bühnen spielen, aber nicht um jeden Preis. Wenn wir in der Hamburger Hafenstraße zwischen all den Leuten Musik machen, dann ist die Nähe zum Publikum wichtiger als alles andere.

Ihr habt das Zeug zu mehr. Aber könnt ihr mit eurem komplizierten Sound und der harten Stilrichtung überhaupt neue HörerInnen erreichen?

Mathias:Der Stil ist kein Problem, das ist eher eine Sache der Verbreitung. Bei den Konzerten im Wehrschloß kann man sehen, daß ein breites Spektrum von Leuten Independent-Musik hört. Hier brauchen sie nicht viel zu bezahlen, bekommen aber geile musikalische Gefühlsumsetzungen geboten. Das findet immer mehr Anklang, die wollen gar nicht immer die Kommerz-Scheiße hören.

Ole:Wenn wir unser Demo-Tape verschicken können, werden wir sicher auch weiter im Süden Deutschlands spielen, im Ruhrpott zum Beispiel. Daneben suchen wir ein Plattenlabel. Das ist so ein aktives Warten. John Peel ist ein weiterer Schritt, denn viele Menschen wußten doch bisher gar nicht, daß hier in Bremen so etwas los ist. Immerhin reihen wir uns bei den Toten Hosen und X-Mal Deutschland ein, das ist doch was.

Jürgen Francke