Malis Armee putscht gegen sich selbst

■ Fallschirmjäger verhaften Staatschef Moussa Traore und bilden „Nationalen Rat der Versöhnung“/ Verfassung außer Kraft gesetzt/ Einheitspartei aufgelöst/ Unklarheit über den neuen Kurs

Berlin/Bamako (taz/afp/dpa) — Ein Militärputsch hat der 23jährigen Diktatur von Moussa Traore in Mali gestern ein Ende gesetzt. Fallschirmjäger drangen in der Nacht zum Dienstag in den Präsidentenpalast ein, verhafteten Traore und führten ihn ab. Am Morgen meldete sich im staatlichen Rundfunk ein „Nationaler Rat der Versöhnung“ unter Vorsitz des 43jährigen Leutnants Hamadoun Toumani Toure zu Wort.

„In Verbindung mit den demokratischen Organisationen des Landes haben die Streitkräfte beschlossen, dem blutdürstigen und korrupten Regime von Moussa Traore ein Ende zu setzen“, erklärten die neuen Machthaber. „Laßt uns für alle Zeit Korruption, Spekulation, Vetternwirtschaft und alle anderen unmenschlichen Untaten ausmerzen.“

Noch am Vormittags wurden alle Kommunikationsverbindungen zum Ausland abgeschnitten. Der Flughafen der Hauptstadt Bamako ist gesperrt. Im Laufe des Tages setzte der „Nationale Rat der Versöhnung“ die Verfassung außer Kraft und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre.

Ein weiteres Kommuniqué erklärte die bisher regierende Einheitspartei „Demokratische Union des malischen Volkes“ für aufgelöst und versprach: „Die Armee hat die Macht nicht übernommen, um sie in der klassischen Manier auszuüben“. Hamadoun Toumani Toure, der neue starke Mann, rief die ins Exil geflohenen Oppositionellen auf, nach Mali zurückzukehren und beim Aufbau eines „grenzenlosen Mehrparteiensystems und grenzenloser Demokratie“ zu helfen.

Die Opposition ist jedoch eher skeptisch (s. Interview). Aufällig sei die Berufung von zahlreichen Vertrauten des gestürzten Präsidenten in den Rat, beispielsweise der Troare- Adjutanten Oumar Diallo und Sidi Mohamed Toure, so politische Beobachter.

Ihre Anwesenheit im Kreis der neuen Machthaber lasse sich nur dadurch erlären, daß sie sich im letzten Moment vom Präsidenten abgewandt und an dessen Absetzung mitgewirkt haben, hieß es.

Der Putsch wurde von erneuten schweren Unruhen begleitet. 40 Leichen wurden in der Nacht in das Gabriel-Toure-Krankenhaus in Bamako eingeliefert, am Morgen noch einmal 19. Wie zu erfahren war, wurden bei den Unruhen Bildungsminister Bakary Traore sowie der Schwager des Präsidenten, Mamadu Diarra, erschlagen. Die erboste Menge forderte erfolgreich die Auslieferung der Leichen aus dem Krankenhaus und verbrannte sie öffentlich bei einem makaberen Freudenfest.

Frankreich, das mit Mali ein Militärabkommen geschlossen hat, versuchte nicht, den Umsturz zu verhindern. Das Außenministerium in Paris ließ verlauten, man sei „erfreut über das Ende des Blutbades“.

Der in Frankreich ausgebildete General Moussa Traore hatte sich 1968 in Mali an die Macht geputscht. In den vergangenen Tagen hatte das Militär Proteste gegen seine Herrschaft blutig niedergeschlagen. Dabei wurden um die 200 Menschen getötet. Nach der Ausrufung eines Generalstreiks am Wochenende hatte Traore mit der Opposition verhandelt, ohne die Lage beruhigen zu können.

Das Koordinationskomitee der Opposition hatte Traore am Montag vorgeworfen, die bei den Gesprächen vereinbarten Zugeständnisse nicht einzuhalten. Nach der Freilassung von etwa dreißig Gefangenen war es am Montag abend außerdem zu einem Gefängnisaufstand gekommen, bei dem etwa 15 Menschen ums Leben kamen.

Siehe auch Kommentar Seite 10