Milde Urteile für Ceausescus Schergen

Ankläger von Ex-Securitate-Leuten bedroht/ Kaum ein prominenter Vertreter des Ceausescu-Regimes hinter Gittern/ „Romania Libera“ berichtet von Mißhandlungen Oppositioneller  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Gestern erhob die Militärstaatsanwaltschaft Rumäniens Einspruch gegen das Skandalurteil, das am Vortag in Bukarest gegen 15 Politgrößen des ehemaligen Ceausescu-Regimes gefällt worden war. Es sei zu milde und löse Unruhe unter dem Volke aus. Nach achtmonatiger Prozeßdauer war am Montag folgender Richterspruch gegen die letzten Angeklagten des ehemaligen Politbüros, dem höchsten Entscheidungsgremium unter Ceausescu, ergangen: Jeweils fünfeinhalb Jahre Haft für Propagandachef Dimitru Popescu und Ex-Außenminister Ion Totu, außerdem weitere Haftstrafen zwischen viereinhalb und zwei Jahren für einflußreiche Minister der Ceausescu-Zeit — ansonsten Freispruch! Gründe für diese Milde waren im offiziellen Urteilsspruch ebensowenig zu erfahren wie in der gestrigen rumänischen Presse. Hingegen wandte sich der Gerichtsvorsitzende Gheorghe Ciobatarumit der erstaunlichen Erklärung an die Öffentlichkeit, er fühle sich bedroht und werde an einem geheimgehaltenen Ort „Urlaub machen“. Er ist damit bereits der dritte Richter in dem Verfahren, der sich „beurlauben“ ließ.

Vasila Stanca, Hauptankläger gegen die Politbüromitglieder, der im letzten Jahr noch auf „Anstiftung zum Völkermord“ plädierte, damit aber nicht durchkam und dann die Anklage auf „Mittäterschaft bei den Verbrechen des (Ceausescu-)Regimes“ oder gar in noch mildere Punkte wie „Dienstpflichtverletzung gegenüber dem Volk“ und „illegalen Waffenbesitz“ umwandeln mußte, fühlt sich ebenfalls von den alten Securitate-Leuten bedroht.

Vorwürfe, nach denen Ex- Geheimdienstler Ankläger und Belastunggszeugen einschüchtern, sind gestern auch von Oppositionskreisen erneut erhoben wurden. Denn mittlerweile sind mehr Ceausescu- Schergen auf freiem Fuß denn hinter Gittern. Erhielt vor drei Wochen der gefürchtete Geheimdienstchef Julian Vlad nur dreieinhalb Jahre Haft, so sitzen außer Ceausescus Sohn Nicu und Ceausescus Bruder Nicolae Andruta, die zu 20 beziehungsweise 15 Jahren Haft verurteilt wurden, nur noch eine Handvoll der Protagonisten des alten Regimes hinter Gittern. Doch auch sie genießen zahlreiche „Sonderfreiheiten“ wie z.B. Hafturlaub.

Die jetzt Verurteilten und Freigesprochenen im sogenannten Politbüroprozeß hatten bereits vor sechs Monaten mit einem volksverhetzenden Appell Aufsehen erregt. Sie stellten sich in der für ihren Chauvinismus und Antisemitismus bekannten Wochenschrift „Romania Mare“ (Großrumänien) als Opfer der „neuen Demokraten“ dar. Sie hätten in jenen dramatischen Dezembertagen des Umsturzes 1989 eigentlich alles in ihren Kräften stehende getan, um Blutvergießen zu vermeiden. Denn die Ereignisse in Temesvar seien allein von ungarischen und sowjetischen Agenten angestiftet gewesen, denen Ceausescu ein Dorn im Auge gewesen sei. Folgerichtig müßten die „wahren Unruhestifter der Dezemberkrawalle“ verhaftet werden, sie selbst aber seien unverzüglich auf freien Fuß zu setzen, um Rumänien vor nationalen Schande zu bewahren.“

Sollte es bei der Revision des Urteils nicht zu einer härteren Bestrafung kommen, so werde der Schatten der Vergangeneheit die zagen demokratischen Ansätze in Rumänien vollkommen zudecken, befürchtet dagegen das große oppositionelle Tageblatt 'Romania Libera‘. In seinen Spalten häufen sich in den letzten Tagen Meldungen von Mißhandlungen, wahllosen Festnahmen Oppositioneller und mysteriösen Wohnungseinbrüchen und Prügeleinen von unliebsamen Intellektuellen. 'Romania Liberas‘ trockener Kommentar: Wie unter Ceausescu.