Ausländer-Ministerium verlangt

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Lieselotte Funcke, droht mit Rücktritt/ Regierung an ihrer Arbeit weitgehend desinteressiert/ Ausländern geht's so schlecht wie seit zwanzig Jahren  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Liselotte Funcke hielt sich zurück — und wurde doch ganz deutlich: Davon, wie die Bundesregierung auf ihre Fragen antworte, hänge es ab, wie lange sie noch als Ausländerbeauftragte der Bundesregierung tätig sei. Und: Daß sie mit diesen Worten ihren Rücktritt angedroht habe, wolle sie weder bestätigen noch dementieren. Anlaß dieser Worte war, was Liselotte Funcke in dem gestern in Bonn vorgestellten „Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ unter vielem anderen feststellt: Seit Jahren behindert die Bundesregierung das personell und finanziell sehr schlecht ausgestattete Amt von Frau Funck. Obwohl man ihr es zugesagt habe, dürfe sie „einschlägige Entscheidungen“ zu spät oder gar nicht mit vorbereiten. Noch nie habe sie mit ihrem Auftraggeber — sprich: der Bundesregierung, sprich: dem Kanzler— über die Lage der ausländischen Familien und die Probleme der Integration sprechen können. Dabei hätten Gespräche manche später revidierte Entscheidung und manches verlorene Verfahren vermeiden können.

Vor den Bonner JournalistInnen setzte Liselotte Funcke noch eins drauf: Sie wisse nicht, ob ihre Arbeit Helmut Kohl interessiere. Bisher habe sie ihre Erfahrungen nur schwer an den Kanzler „ranbringen“ können. „Begrenzt“ sei auch das Interesse der Abgeordneten am Thema Ausländer. Die meisten hielten sich raus „und überlassen damit die Bevölkerung weitgehend ihren Emotionen gegen Ausländer“.

Freilich: Liselotte Funcke forderte gestern nicht nur und ganz allgemein mehr politisches Interesse für die Situation hier lebender AusländerInnen. Sie verlangte eine „Stelle für Migration und Integration“ innerhalb der Bundesregierung— also ein Ministerium, mindestens ein Staatssekretariat. Dieses müsse sich aller politischen Fragen annehmen, die sich daraus ergeben, daß hierzulande bereits fünf Millionen Ausländer leben und ständig weitere dazukommen. Neben dieser Regierungsstelle will die Ausländerbeauftragte eine „ständige Kommission für Migration und Integration“. Darin vertretene Abgeordnete, Vertreter von Ministerien, Kommunen und Kirchen, Wissenschaftler und Ausländer sollten helfen, „die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für ein spannungsfreies Zusammenleben von einheimischer und zugewanderter Bevölkerung zu gestalten und Anlaufstelle für die Betroffenen zu sein“.

Warum es notwendig ist, die Ausländerpolitik auf der Ebene von Regierung und Gesellschaft mit diesen beiden Einrichtungen aufzuwerten, begründete Liselotte knapp und einleuchtend: Ihr eigenes Amt der Ausländerbeauftragten sei im internationalen Vergleich „völlig unzulänglich“; andere Länder hätten längst Regierungsämter und Kommissionen einberufen und sehr positive Erfahrungen damit gemacht. In der Schweiz etwa seien mit Hilfe der Kommission alle Referenden gegen die liberale Ausländerpolitik erfolglos geblieben. Und schließlich, so Funcke, erforderten fünf Millionen Menschen aus unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Rechten, Voraussetzungen und Schicksalen ein solches Amt geradezu.

Überdies forderte die Ausländerbeauftragte, Deutschland als das zu bezeichnen, was es ist: ein Einwanderungsland. Gesetze und Abweisungen an der Grenze könnten vor allem aus Osteuropa und der Dritten Welt hierher kommende Menschen nicht fernhalten. Außerdem bräuchte Deutschland einen Teil dieser Menschen „angesichts der demographischen Entwicklung“, um „im Produktions- und Dienstleistungsbereich die anfallenden Aufgaben zu erledigen“. Vonnöten sei drum ein Konzept, das „Zuwanderungen zuläßt, aber kanalisiert, und zwar für alle Zuwanderer...“

Auch wenn Liselotte Funcke nicht begründet hätte, weshalb Bonn viel mehr für die Integration von AusländerInnen tun muß: Allein daraus, wie sie die Situation dieser hier lebenden Menschen gestern schilderte, ergab sich dies. Seit 20 Jahren, so Funcke, habe sich diese Situation nicht verbessert. Noch immer arbeiteten sie in niedrigen Lohngruppen oder mit besonderen Beschwernissen. Sie verlören eher ihren Arbeitsplatz und würden seltener eingestellt als Deutsche. Besonders schwer hätten es Jugendliche: Fast zwei Drittel bekämen keinen Ausbildungsplatz. Noch immer seien Ausländer hierzulande isoliert, viel zu wenig akzeptiert. Warum dies so ist, dafür machte Frau Funcke ganz unterschiedliche Gründe aus: eine „funktionale Betrachtungsweise“ etwa, die in Ausländern nur Arbeitskräfte sehe, zuwenig Rechtssicherheit für diese Menschen, Fremdenfeindlichkeit aus Angst...“