KOMMENTARE
: Unterstützer Stasi

■ Die in die DDR exilierten RAF-Mitglieder erhielten eine militärische Ausbildung

Es war wohl ein Trugschluß zu glauben, die DDR hätte sich in beinahe schon vorbildlicher Weise um die Resozialisierung von ehemaligen RAF-Aktivisten bemüht. Auch wenn sie denen, die mit dem Konzept des bewaffneten Kampfes gebrochen hatten, ein Weiterleben ohne Strafverfolgung, ohne Hochsicherheitstrakt und ohne Illegalität ermöglichte. Treffen die Aussagen der Stasi-Offiziere zu — und praktisch alle Indizien sprechen dafür — dann war das Aussteiger-Asyl nicht mehr als der Bestandteil eines Abkommens mit dem noch aktiven Teil der RAF und die von der Stasi geforderte Abkehr vom „individuellen Terror“ als Vorraussetzung für die Einbürgerung nicht mehr als eine kunstvoll angelegte Farce. Wenn die am Anschlag auf den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte, General Kroesen, beteiligten RAF-Mitglieder bereits vor dem Attentat von den Terror-Experten der Stasi militärisch ausgebildet wurden, dann war das Engagement im Falle der Aussteiger kein Beitrag zur Beilegung des bewaffneten Kampfes, wie es uns die aufgestöberten Stasi-Mitarbeiter noch Mitte letzten Jahres weismachen wollten. Es war im Gegenteil der logistische Beitrag zur Unterstützung einer Gruppe, die durch die Abkehr eines Teils ihrer Mitglieder in ihrer Existenz gefährdet war. Und wenn die RAF- Leute vor dem mißglückten Attentat sogar an der Waffe ausgebildet wurden, die anschließend zum Einsatz kam, dann rückt der Verdacht in greifbare Nähe, daß die verwendete Panzerfaust sogar von der Stasi zur Verfügung gestellt wurde.

Nahezu jeder, der sich in den letzten Jahren mit der RAF beschäftigt hat, hätte vorgestern noch die Möglichkeit einer direkten Unterstützung oder Ausbildung der RAF-Aktiven durch den Staatssicherheitsdienst ausgeschlossen. Der erste sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat war immer um seine internationale Anerkennung und Reputation bemüht, wurde immer wieder argumentiert. Er hätte keinesfalls riskiert, nach einer immer drohenden Festnahme eines der Attentäter und dem vielleicht folgenden Eingeständnis der tatkräftigen Stasi-Beihilfe in aller Welt in Ungnade zu fallen. Zudem hätte keiner geglaubt, daß die durch das NS-Regime verfolgte Partei- und Staatsführung trotz gemeinsamer antiimperialistischer Gesinnung der „Propaganda der Tat“ auch nur einen Funken von Sympathie entgegengebracht hätte.

Bleibt die Frage, was Mielke und Honecker dann bewogen hat. War es die Hinwendung der RAF zu „militärischen“ Zielen gegen Ende der 70er Jahre, die den Stasi-Chef und den Staatsratsvorsitzenden veranlaßte, den Kampf gegen den — wie sie vielleicht wähnten — „gemeinsamen Gegner“ zu unterstützen? Oder glaubte die DDR-Führung tatsächlich, den verhaßten Westen mit Anschlägen und Attentaten „destabilisieren“ zu können? Bar jeder politischen Logik scheint die Unterstützung der RAF auch deshalb, weil die Stasi zur selben Zeit auch den Rechtsextremisten Odfried Hepp und Udo Albrecht nicht nur via DDR zur Flucht verhalf, sondern ihnen auch Geld und falsche Papiere beschaffte.

Der reale Sozialismus, an erster Stelle die Sowjetunion und die DDR, galt den Mitgliedern der RAF trotz manchem ideologischen Streit schon immer als objektiv „antiimperialistische“ Bastion. Hinter der mangelnden Auseinandersetzung mit den östlichen Regimen vermuteten viele eine ideologische Sperre, die den selbsternannten Revolutionären den Blick auf die politischen Verhältnisse in den Ostblockstaaten versperrte. Heute, so scheint es, war alles viel einfacher: Die Waffenbrüder galten schlechtweg als Klassenbrüder. Wolfgang Gast