SPD gönnt Kohl den Urlaub nicht

■ Herta Däubler-Gmelin findet, der Kanzler hätte nach Ostdeutschland zur Arbeit fahren müssen

Bonn (taz) — Das wird den Bundeskanzler bestimmt aus seiner Osterruhe aufschrecken: Die strenge Herta Däubler-Gmelin, stellvertretende SPD-Vorsitzende, verlangte gestern, er solle seinen Urlaub in Österreich abbrechen und in die neuen Bundesländer fahren. „Voller Unverständnis und Enttäuschung“ schüttelten dort die Menschen den Kopf „über seine Entscheidung, jetzt nach Österreich zu reisen und nicht zu den Menschen in den neuen Ländern.“

Herta Däubler-Gmelin wollte dem Kanzler keinen Abenteuer-Urlaub im wilden Osten vorschlagen. Statt Ferien zu machen, solle er sich in der ehemaligen DDR „um die Probleme der Menschen“ kümmern. Was hat Helmut Kohl falsch gemacht, daß ihm die Sozialdemokraten Strafarbeiten aufbrummen? „Vier große Fehler“, so Herta Däubler-Gmelin, habe der Kanzler in den vergangenen 100 Tagen begangen. Erster Fehler: „Er hat die Größe der Aufgabe verkannt.“ Zweiter Fehler: Er hat die Zusammenarbeit mit den „großen politischen Kräften“ (will sagen: mit den Sozialdemokraten) abgelehnt. Dritter Fehler: „Er hat die Menschen im Osten und die Menschen im Westen getäuscht.“ Vierter Fehler: „Er hat wertvolle Zeit verschwendet.“

Was hätten die Sozialdemokraten anders gemacht? Statt des „Gemeinschaftswerks Aufschwung-Ost“ der Bundesregierung wollen sie einen „Nationalen Aufbauplan“. Herta Däubler-Gmelin schlug vor, „bei den Verwaltungshilfen“ müßten „neue Wege“ gegangen werden: Beamte, die freiwillig in den Osten gehen, sollten mit einem „Wechsel in die höhere Laufbahn“ und mehr Geld belohnt werden. Vor wenigen Wochen hatten Sozialdemokraten im Haushaltsausschuß noch kritisiert, West-Beamte im Osten bekämen viel zuviel Geld — eine Art „Busch-Zulage“ — bezahlt. Aber das ist auch nicht Herta Däubler-Gmelins Fachgebiet. Sie kümmert sich lieber darum, wozu die Fehler des Kanzlers geführt haben: „Die Bereitschaft der Menschen, die Ärmel hochzukrempeln, ist gebremst“, und das Vertrauen „in unsere Regierungsform“ ist erschüttert. „Wir Sozialdemokraten sagen: Das darf nicht sein!“, rief die SPD-Frau — und fuhr in den Osterurlaub. Tina Stadelmeyer