Runde Tische gegen die Krise

IG-Metall-Chef Steinkühler präsentiert den gewerkschaftlichen Weg aus der Krise in Ostdeutschland/ Die Treuhand soll mehr sanieren, weniger privatisieren/ Initiative in die Betriebe verlagern  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — Einen Tag, nachdem er auf der Leipziger Montagsdemo nach Meinung von Bonner Regierungssprechern die Bevölkerung „aufgehetzt“ hatte, wurde IG-Metall-Chef Franz Steinkühler konstruktiv.

Am Dienstag abend präsentierte er vor Journalisten in Berlin die Forderungen der IG Metall für die fünf neuen Bundesländer, die nach seiner Meinung „mit raketenartiger Geschwindigkeit auf eine Beschäftigungskatastrophe zurasen“. Stichdatum für die Katastrophe ist der 30.Juni. An diesem Tag läuft der tariflich vereinbarte Kündigungsschutz für die Metallindustrie Ostdeutschlands aus.

Die Strukturkrise der ostdeutschen Wirtschaft soll nach Meinung der IG Metall auf drei Ebenen angegangen werden: Erstens soll die Treuhand ihre Strategie umstellen und mehr sanieren als privatisieren. Zweitens sollen in den neuen Ländern „Runde Tische für Strukturpolitik“ gebildet werden, um die inzwischen vorhandenen Finanzmittel optimal einzusetzen. Und schließlich sollen im großen Stil Beschäftigungsgesellschaften gegründet werden, um freigesetzte Arbeitskräfte über ABM oder Qualifizierungs- und Umschulungsprogramme innerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse abzusichern.

Steinkühler forderte außerdem eine Verlängerung der besonderen Kurzarbeiterregelung für die neuen Länder über den 31.12.91 hinaus und kündigte an, daß die IGM auch den am 30.6. auslaufenden, tariflich vereinbarten Kündigungsschutz verlängern will. Am 17. April will die Gewerkschaft auf dem Berliner Alexanderplatz für ihre Forderungen demonstrieren.

Lange Zeit seien die von der IG Metall entwickelten Vorschläge als „dirigistisches Teufelswerk“ hingestellt worden, meinte Steinkühler. Jetzt seien sie unter dem „dramatischen Druck des sozial-ökonomischen Zusammenbruchs“ in Ostdeutschland durchsetzbar geworden. Durch die Beschäftigungsgesellschaften soll für Beschäftigte und Unternehmen Zeit gewonnen werden. Denn die notwendige Umstellung und Sanierung der Betriebe sei nicht in kurzen Zeiträumen zu machen, bestenfalls in drei bis fünf Jahren. Die Gewerkschaft sei sich klar, daß die bisherige Beschäftigungsquote in den neuen Ländern nicht zu halten sei.

Es komme darauf an, die Industriestandorte zu erhalten und gleichhzeitig die Industriestrukturen zu erneuern. Die Treuhand soll zu diesem Zweck eine Industrieholding bilden, in der die unverkäuflichen, aber sanierungsfähigen Betriebe zusammengefaßt werden. Dies solle ein eindeutiges Zeichen an das betriebliche Management, die Betriebsräte und Belegschaften sein, sich in Eigeninitiative um die Sanierung der Betriebe zu kümmern, anstatt passiv auf einen Käufer bzw. die Stillegung zu warten.