Schwatz mit dem Schwein

■ Das Lieblingsgericht zweier berühmter Gallier tummelt sich im Grunewald

Asterix und Obelix kämen auch heute noch im Grunewald zu ihrer Leibspeise. Fernab von den Wegen durchstöbern rund hundert Wildschweine den Grunewald. So groß schätzt jedenfalls Elmar Lakenberg, der Leiter des Forstamtes Grunewald, den Frühjahrsbestand an Wildschweinen ein.

Falls Obelix sich im Grunewald niederließe, müßte er allerdings strenge Diät halten, sich mit weniger als einem Wildschwein pro Tag zufriedengeben. Nicht viel mehr und nicht viel weniger als zweihundert Wildschweine dürfte der Gallier essen. Nach Angaben Lakenbergs müssen dieses Jahr wahrscheinlich genau so viele Tiere abgeschossen werden. Der Grund: Die Zahl der Tiere soll weder größer noch kleiner werden. Und Lakenberg vermutet, daß dieses Jahr rund 200 Frischlinge geboren werden. Weil die drei letzten Winter so milde waren, vermehrten sich die Wildschweine besonders stark. Deswegen müssen die 20 Förster mehr Tiere erschießen.

Um nicht aus Versehen gewöhnliche Spaziergänger zu treffen, müssen sich die Jäger früh morgens oder spät abends auf die Pirsch machen. Selbst dann müssen sie sehr vorsichtig sein, denn auch dann sind Leute unterwegs, wie Lakenberg sagt. Mit derartigen Problemen mußte Obelix sich noch nicht plagen. Zwar galt er nicht gerade als der Schwächste, doch hatte seine Faust nicht die durchschlagende Wirkung einer Gewehrkugel. Zudem war zu Cäsars Zeiten der Erholungstourismus in der Bretagne nicht sehr stark ausgeprägt.

Laut Brockhaus von 1898 ist das Wildschwein »reizbar, grimmig, furchtlos und stürzt sich wütend auf seine Gegner«. Doch der normale Bürger muß auch ohne eine tägliche Ration Zaubertrank nicht um sein Leben fürchten, wenn ihm ein Wildschwein gegenübertritt — was nach Angaben Lakenbergs sowieso sehr selten der Fall ist. Normalerweise laufen Wildschweine von selbst weg, da sie eine natürliche Angst vor Menschen haben. Gefährlich kann es nur werden, wenn sie Junge haben und sich angegriffen fühlen. Wildsäue können besonders bei freilaufenden Hunden aggressiv werden. Ein kleines Schwätzchen kann in solchen Fällen sehr befreiend wirken. Indem man auf die Wildschweine einredet, gibt man sich ihnen als Mensch zu erkennen — und die Tiere laufen weg. Lakenberg kann aus eigener Erfahrung berichten: Eine »uralte« Bekannte stand ihm zweimal recht angriffslustig gegenüber. Mit einem Plausch konnte er sie beruhigen. Die mindestens zehnjährige Dame hatte schon oft Frischlinge und ist sehr vorsichtig. Wie Lakenberg meint, hat er ein gutes Verhältnis zu jener Wildsau — obwohl sie weiß, daß von ihm Gefahr droht, da er schon einige ihrer Jungen getötet hat.

Im vergangenen Herbst riß ein Wildschwein einem Spaziergänger eine Plastiktüte mit Äpfeln aus der Hand. Außer einem großen Schrecken und den verlorenen Äpfeln passierte dem Flaneur nichts. Das Wildschwein gehörte zu einer Gruppe von Tieren, die öfters in der Nähe einer Gaststätte gefüttert wurden. So lernten sie den geheimnisvollen Reiz von Plastiktüten, die häufig gutes Futter verbergen, kennen. Jene Gruppe von Wildschweinen mußte schließlich erschossen werden. Sonst hätte ihre Vorliebe gefährlich für die Menschen werden können.

Auch in anderen Wäldern Berlins gibt es Wildschweine. Ähnlich wie die Westberliner haben auch sie der Maueröffnung neue Reviere zu verdanken. Wegen der Wassergrenze konnten die Wildschweine nicht nach Gatow oder Wannsee. Inzwischen sind dort schon einige aus dem Umland eingereist.

Anna Hanke