PORTRAIT
: Zehn Jahre Ordnung

■ Otto „der Große“ Rehhagel feiert als treuer Trainer von Werder Bremen ein seltenes Jubiläum

Der Mann kann einfach nicht ruhig sitzen. Und: Er kann den Mund nicht halten. Egal ob auf der Trainerbank oder beim Interview im Café, immer ist er in Aktion, sucht mit den Augen die Umgebung ab, erzählt mit den Händen. Er hat halt was zu sagen, der Otto Rehhagel, der in diesen Tagen ein außergewöhnliches Jubiläum feiert. Seit zehn Jahren ist er in Bremen absoluter Chef beim SV Werder.

Als er im April 1981 für den bei einem Autounfall verletzten Kuno Klötzer an die Weser kam, „da hat man uns beim VfB Oldenburg respektiert“, erinnert er sich, „und heute haben wir ein unheimlich gutes Image, von New York bis Moskau.“ Damals kämpfte Werder noch um den Wiederaufstieg in die 1.Bundesliga. Und dann: Vizemeisterschaften in Serie, der deutsche Meistertitel 1988/89, „Jahrhundertspiele“ im Europacup und immer im Bild: Otto der Große, wie er in Bremen genannt wird.

Das ganze Geheimnis des Fußballerfolgs hat für Rehhagel acht Worte: „Wie geht der Ball am schnellsten ins Tor?“ Diese Frage gilt es zu beantworten, und da ist er, als einer, der „mit dem Fußball auf die Welt gekommen“ ist, der Richtige, um die Spieler auf den richtigen Platz zu stellen. Und vor allem: um die Spieler zu holen. Denn das wirkliche Geheimnis seines Erfolgs liegt in der vereinsinternen Organisationsstruktur bei Werder Bremen.

Rehhagel ist unumschränkter Alleinherrscher. Er entscheidet, wer spielt oder nicht, und wichtiger noch: er kauft und verkauft die Spieler. Da redet kein Manager oder Präsident mit, wie so oft bei anderen Vereinen. Völler und Riedle hat er geholt und für das Zehnfache nach Italien verkauft. Kein anderer Verein der Bundesliga hat so viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu überdurchschnittlichen Bundesliga-Profis gemacht. Und weil mit ganz jungen Spielern alleine auch keine Meistermannschaft zu machen ist, holte Rehhagel andernorts ausgemusterte Spieler wie Burgsmüller, Votava und zuletzt Klaus Allofs an die Weser.

Von seinen Spielern verlangt Rehhagel Disziplin, Ordnung, Pünktlichkeit. „Ich bin da altdeutsch“, sagt er und bittet sofort, das nicht mißzuverstehen. Deshalb wehrt er auch alles ab, was Unruhe bringt, so zum Beispiel die Medien, besonders die Boulevardpresse. „Wenn ich nach dem Spiel zur Pressekonferenz gehe, denke ich immer: Die sitzen da rum und warten, daß ein Trainer etwas gegen den anderen sagt. Das ist doch abartig.“ Und deshalb sagt Otto dort auch nur zwei Sätze und: „Danke schön“, ehe er sich ganz schnell verabschiedet.

Auch die zunehmende Unruhe auf den Rängen ist Rehhagel zuwider. Randalierende Fans sollen sich doch bitte schön an die „Regeln halten, die das Leben schreibt“. Und wenn nicht, ist er für die ganz einfachen Lösungen: „Dann müssen die ins Gefängnis.“ Und dann bedauert er, daß „der liebe Gott die Menschen nicht so geschaffen hat, daß sie zu jeder Zeit immer lieb und freundlich miteinander umgehen“.

Und weil Otto Rehhagel so altdeutsch ist, können die Bremer sich gute Chancen ausrechnen, daß er noch ein paar Jährchen bleibt. Denn Angebote von ausländischen Vereinen anzunehmen, das wäre zwar noch einmal eine große persönliche Herausforderung, aber auch Unruhe und Unordnung: „Das hört sich zwar schön an, Trainer in Rom. Aber die Ewige Stadt ist ganz schön dreckig, und wenn du auf ein Taxi wartest, dann schwitzst du dich tot.“ Holger Bruns-Kösters