Bonn: Stasi-Hilfe für RAF bekannt

■ Bundesjustizminister Kinkel bestätigt dementsprechende Gerüchte/ 'Spiegel‘: Stasi bildete RAF in modernsten Sprengtechniken aus/ Half Stasi bei Vorbereitungen zum Herrhausen-Attentat?

Berlin (taz) — Die Bundesregierung wußte schon vor der Flucht des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, um die Ausbildungsbeihilfe des Staatssicherheitsdienstes für die aktiven Kader der „Roten-Armee-Fraktion“ (RAF). Das bestätigte am Mittwoch Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP). Dies sei auch der Grund, warum er sich nach Honeckers Abgang am 13. März in Richtung Moskau „so wahnsinnig geärgert“ habe.

Der 'Spiegel‘ wartet unterdessen in seiner jüngsten Ausgabe mit neuen Details aus dem Stasi-Ausbildungsprogramm für die RAF auf. Den Zeugenaussagen ehemaliger Stasi- Offiziere sei zu entnehmen, daß die RAF-Aktiven nicht nur an Schußwaffen und Panzerfäusten ausgebildet wurden. Anfang der 80er Jahre sollen sie in die modernste Sprengtechnik eingewiesen worden sein. Mithilfe eines Modells sei ihnen der Aufbau und die Funktion der „Lichtschrankenzündung“ beigebracht worden — eine Technik, mit der unter anderem im Herbst 1989 der Vorstandsprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, ermordet wurde. Die Bundesanwaltschaft dementierte allerdings die Angaben, wonach die RAF bis zur Wende aktiv unterstützt wurde. Behördensprecher Hannich erklärte, „nach dem Stand der bisherigen Ermittlungen gibt es für solch einen Verdacht keine Erkenntnisse“.

Die am Mittwoch festgenommenen fünf ehemaligen Stasi-Mitarbeiter bleiben vorerst in Haft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat die Haftbefehle wegen „Beihilfe zum versuchten Mord“ aufrechterhalten. Sie richten sich gegen den früheren stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Gerhard Neiber, Oberst Harry Dahl, Oberst Günter Jäckel, Oberstleutnant Gerhard Plomann und Hauptmann Gerd Zaumseil. Dahl soll als Leiter der Hauptabteilung XXII („Terrorabwehr“) der erste Ansprechpartner für die RAF-Aktiven um Inge Viett und Christian Klar gewesen sein. Sein Stellvertreter Jäckel hat nach den Angaben der Bundesanwaltschaft sämtliche Vorgänge dem obersten Stasi-Chef Mielke berichtet. Mielkes Stellvertreter Neiber hat danach die Ausbildungspläne für die RAF bis ins Detail gekannt und abgezeichnet. Neiber und Mielke sollen auch die Entscheidung gebilligt haben, die RAF-Mitglieder an Waffen und Sprengstoff auszubilden. Oberstleutnant Plomann sei für die Waffen- und Sprengstoffausbildung zuständig gewesen — Hauptmann Zaumseil habe dafür vorbereitende Tätigkeiten übernommen.

Generalbundesanwalt von Stahl bestätigte weiter, daß einer der Beschuldigten „durch die Lappen“ gegangen ist. Dem 'Spiegel‘ nach handelt es sich um den pensionierten Oberstleutnant Helmut Voigt, der jahrelang für die Betreuung der RAF-Mitglieder zuständig war.

Das Bündnis 90/Grüne warnte davor, über die neuen Enthüllungen zu vergessen, daß die Arbeit der Stasi ganz überwiegend nach innen und damit gegen die DDR-Bevölkerung gerichtet war. Die innenpolitische Sprecherin Ingrid Köppe forderte aus diesem Grund erneut ein Akteneinsichtsrecht für die Betroffenen.

Für den CSU-Generalsekretär Erwin Huber beleuchten die Berichte über die Stasi-RAF-Connection „einen Abgrund von Kriminalität“. Huber verlangte gestern in München die Einrichtung einer Behörde nach dem Vorbild der Zentralstelle zur Verfolgung von Nazi-Verbrechen, „um Stasi-Verbrecher den Anklagebehörden und Gerichten zuzuführen“. wg