Ein Kompromiß ist nicht absehbar

■ Die Debatte um die Verwaltungsstruktur Thüringens/ „Prellböcke für Beschwerdeführer“ und andere Hindernisse/ Zentralismus oder Autonomie/ Wo liegen die Kompetenzgrenzen der Landratsämter

Erfurt. Die Einrichtung einer Verwaltungsmittelbehörde in Gestalt des Landesverwaltungsamtes sei nicht notwendig — mit diesem Vorwurf an die thüringische Landesregierung goß Dr. Werner Thomas erneut Öl ins Feuer der Auseinandersetzung um die Struktur der künftigen Landesverwaltung. Der Rudolstädter Landrat befürchtet, daß die von einer künftigen Verwaltungsmittelbehörde ausgehende Zentralisierung der Macht die Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen entmündigt. Ihre Landratsämter würden so nur noch als „Prellbock für Beschwerdeführer“ und zur Abschirmung der Vollzugsbehörden dienen. Die Absicht, für Thüringen eigene Verwaltungsstrukturen zu schaffen und dem Land keine westlichen Modelle überzustülpen, ist mit dem Wählerwillen vereinbar. Nur sollte der Machtanspruch der Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen des Vernünftigen bleiben und die Regierbarkeit nicht beeinträchtigen. Wenn sich jeder Landrat oder Dezernent der 35 Landkreise und der fünf kreisfreien Städte Thüringens mit seinen Problemen, Vorgängen, Anfragen, Vorschlägen und Forderungen immer an das entsprechende Fachministerium des Landes wenden müßte, wären diese Regierungseinrichtungen schnell überfordert und ihre angestrebte Effizienz dahin. Das Bewältigen der künftigen Infrastrukturprojekte würde für das Land problematisch, da die Ministerien sich als Institution sowohl mit der Planung als auch mit der Koordinierung und Ausführung beschäftigen müßten. Da viele dieser Maßnahmen, wie der Ausbau der Autobahnen, das Verlegen der Erdgasleitung oder das Umsetzen des vorläufigen Bildungsgesetzes in ihrer komplexen Gestalt über die Kompetenzgrenzen der einzelnen Landratsämter hinausreichen, hätte das ein Aufblähen der Ministerien oder ständiges Kompetenzgerangel der beteiligten Landkreise und kreisfreien Städte zur Folge. Nicht zu übersehen ist auch, daß in den Bundesländern, die wie das Saarland eine zweistufige Verwaltung haben, die Aufsplittung der Regierungsbezirke wesentlich kleiner ist als in Thüringen. Ob die Einrichtung einer Verwaltungsmittelbehörde für Thüringen einer effektiv arbeitenden Verwaltung ausnahmslos widerspricht, wie es Landrat Dr. Werner Thomas formuliert, ist noch aus einem zweiten Grund fraglich. Er unterstellt der Landesregierung, daß diese mittleren Behörden die Wiedereinführung der ehemaligen Zentralisations- und Machtbefugnisse bezirklicher Behörden bedeuten würden und deren Verwaltungsunfähigkeit zur Folge hätten. Wäre es nicht sinnvoller, um das zu vermeiden, die Strukturen und die MitarbeiterInnen der Landratsämter den jetzigen Erfordernissen entsprechend einzustellen, damit sowohl die Ministerien als auch die Landratsämter entlastet würden? Der Vorschlag von Dr. Thomas, die mittlere Behörde als Dienstleistungseinrichtung zur Koordination zu nutzen erscheint da als Kompromiß zu wenig. Künftig wäre für Thüringen sicher auch über eine Reform der unteren Verwaltungsebene nachzudenken, um die Kommunen besser am Prozeß der Landesverwaltung zu beteiligen. Kai Mudra