»Die Luft ist bei den Leuten raus«

■ Mäßige bis klägliche Beteiligung bei Ostermärschen in Berlin und Potsdam/ Generalsuperintendent Krusche fordert zur Kriegsdienstverweigerung auf

Berlin/Potsdam. Es mag am Wetter gelegen haben — oder auch nicht: Bei Nieselregen nahm sich der Sammelplatz für den traditionellen Ostermarsch am Winterfeldtplatz eher wie ein mäßig besuchter Marktplatz aus. »Jeder Krieg ist ein Verbrechen — für die Abschaffung aller Kriegsdienste« — unter diesem Motto hatten diverse Friedensgruppen, Parteien, Gewerkschaften zur Demonstration aufgerufen. Noch letzte Woche hatten VertreterInnen der Friedenskoordination mit rund 30.000 TeilnehmerInnen gerechnet. Rund 7.000, vom Veranstalter trotzig-optimistisch auf 10.000 hoch- und von der Polizei routinemäßig auf 4.000 heruntergerechnet, waren es schließlich, die vom Winterfeldtplatz bis zum Lustgarten zogen. Meist bei lästigem Gegenwind, was vor allem die TrägerInnen eines riesigen Transparentes gegen den Kriegsdienst zu spüren bekamen.

So sehr auf der Abschlußkundgebung die RednerInnen auch bemüht waren, Augenmerk und Solidarität auf die Situation in der Golfregion zu lenken, das Interesse und die Betroffenheit waren sicht- und hörbar abgeklungen. Daß, wie Ulrike Hoffmann vom Kurdistan-Komitee in ihrem Redebeitrag schilderte, im Irak weiterhin Bomben auf die kurdische Bevölkerung fallen, nahmen bei zunehmendem Regen nur noch wenige DemonstrantInnen zur Kenntnis.

Zuvor hatte Günter Krusche, Generalsuperintendent der evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, frei nach dem Motto »Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin«, eine Lanze für Kriegsdienstverweigerer gebrochen. Den Militärdienst zu verweigern, so Krusche, sei in diesen Zeiten »ein sehr deutliches Zeichen für den Frieden«. Krusche verurteilte den Krieg der alliierten Truppen gegen den Irak ebenso wie Brigitte Ziegler von der IG-Metall. Sie kritisierte vor allem die Kriegsfinanzierung der Bundesregierung. Die 17 Milliarden Mark auf die Konten der Alliierten als Honorierung für die Bombardierung des Irak bzw. für das politische Wohlverhalten während des Golfkrieges »ist das Geld, was uns jetzt in Deutschland fehlt«.

Absolut niederschmetternd war die Resonanz beim diesjährigen Ostermarsch in Potsdam. »Die Luft ist raus«, resümierte deprimiert Ute Biermann, Potsdamer Friedensaktivistin, angesichts einiger Dutzend Menschen, die an der Demonstration vom Denkmal des unbekannten Deserteurs in der Innenstadt zur Bundeswehrkaserne in Eiche teilgenommen hatten. Es sei letztlich deprimierend, zu sehen, »wie wenig wir ausrichten können«. Nichtsdestotrotz übergab das Häuflein Aufrechter an der Kaserne einen Brief an Bundesverteidigungsminister Stoltenberg. Statt für Rüstung, so forderten die AbsenderInnen, solle das Geld für eine aktive Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik ausgegeben werden. anb