INTERVIEW: Verfolgt, geschlagen, abgeschoben
■ Aye Chan Naing publiziert das Bulletin 'Dawn‘ der birmesischen Studenten in Thailand
taz: Wie hat sich der Militärputsch in Thailand auf die Situation der oppositionellen Birmesen ausgewirkt?
Aye Chan Naing: Es hatte bereits vorher eine enge Verbindung zwischen den thailändischen und birmesischen Militärs gegeben. Vor dem Putsch in Thailand war der Militärchef von Bangkok in Birma und hatte sich mit General Saw Maung getroffen, anschließend ergriff er in Bangkok die Macht. Nach dem Putsch war Birma nach China das zweite Land, daß die Junta in Thailand anerkannte. Birmesische Studenten halten sich derzeit in Bangkok auf, viele auch an der thai-birmesischen Grenze.
In der jüngsten Vergangenheit hat der Druck durch die Militärs zugenommen. Studenten, die sich in sechs Camps auf der thailändischen Seite der Grenze aufgehalten hatten, mußten nach Birma ausweichen.
Sie geben das Newsbulletin 'Dawn‘ der studentischen Opposition in Bangkok heraus. Unter welchen Bedingungen arbeitet Ihre Redaktion?
Wir sind vorsichtig und wechseln ständig die Adresse, doch wird uns die Polizei vielleicht finden.
Und es gibt auch Probleme mit der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR?
Ja, in Bangkok gibt es über 1.000 birmesische Studenten, die von der UN-Organisation finanziell unterstützt werden. Aber die Studenten sind ja illegal eingereist. Als nun einige von ihnen jüngst festgenommen wurden, konnte — laut eigener Aussage — die UN-Flüchtlingsorganisation nichts für sie tun. Thailands Behörden haben Ende letzten Jahres mehr als 40 Studenten verhaftet und wegen illegaler Einwanderung für mehrere Monate in ein Bangkoker Gefängnis gesteckt. Aber nach Verbüßung der Strafe wurden die Studenten nicht freigelassen. Thailands Militär will diese Studenten als erste Gruppe in ein neues Camp an der Grenze stecken, das ab April im Grenzgebiet in der Nähe von Mae Sot eröffnet wird. Das Camp wird von der UNO finanziert, steht aber unter Kontrolle thailändischer Militärs. Wir fürchten, daß alle 1.000 Studenten in dieses Lager gebracht werden.
Werden die Studenten freiwillig gehen?
Nein, aber wir fürchten, daß die Studenten verhaftet und dorthin verfrachtet werden. Viele gehen jetzt nicht mehr nach Hause, und fahren die ganze Zeit in der Stadt herum oder bleiben für kurze Zeit bei thailändischen Freunden. Die Behörden haben gedroht, daß sie das Gesetz, welches die Unterstützung illegaler Einwanderer unter Strafe stellt, anwenden werden. Das heißt, wer birmesischen Studenten hilft, hat mit Gefängis von fünf Jahren und einer Geldstrafe von 50.000 Baht (etwa 5.000 D-Mark) zu rechnen. Es hat eine ganze Reihe von Razzien in den Wohnungen der birmesischen Studenten gegeben.
Ende Januar wurden zehn Studenten im „Immigration Detainee Centre“ (IDC) für illegale Einwanderer in Bangkok von der Polizei übel geschlagen und gefoltert. Dann haben sie Fotos von den Studenten gemacht und ihre Adressen festgehalten und die nach Rangoon geschickt. Das wurde auch in der thailändischen Presse berichtet, und ich selbst habe Studenten getroffen, die von der Polizei im IDC geschlagen worden sind.
Was können Sie für die birmesischen Studenten tun?
Wir versuchen, Kurse für sie in den Dschungelcamps zu organisieren. Die Studenten werden sich wahrscheinlich lange im Urwald befinden und brauchen eine Ausbildung, die auch das eigene Überleben sichern hilft, zum Beispiel landwirtschaftliche Kenntnisse. Zudem versuschen wir, dort auch den Unterricht — etwa in Englisch — fortzuführen. Interview: Jutta Lietsch
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