Seltsame Signale aus Moskau

Irritationen im sowjetisch-polnischen Verhältnis/ „Terminschwierigkeiten“ für Staatsbesuche  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

In Warschau kommen beunruhigende Signale aus Moskau an, die auf eine gewisse Verstimmung in den polnisch-sowjetischen Beziehungen schließen lassen. Der Besuch von Premier Bielecki in Moskau, der ursprünglich für Anfang April geplant war, wurde bis auf weiteres verschoben. Die sowjetische Seite begründete dies mit Terminschwierigkeiten. Die für April geplante Moskaureise von Präsident Walesa wird in den nächsten zwei Monaten ebenfalls nicht zustandekommen.

Angesichts der Lage in der Sowjetunion wären diese Änderungen verständlich, gäbe es da nicht einige Details, die diese „Terminprobleme“ in ein recht seltsames Licht rückten. Eine Verschiebung des Walesa-Besuchs kommt für Polen besonders deshalb sehr ungelegen, weil Polens Präsident dabei mit Präsident Gorbatschow die politischen Probleme des Rückzugs der sowjetischen Armee aus Polen und des Transits der in der ehemaligen DDR stationierten Einheiten der Roten Armee durch Polen besprechen sollte.

Zu denken geben muß Polens Außenpolitikern vor diesem Hintergrund auch der jüngste Besuch von Mieczyslaw Rakowski. Rakowski, der letzte Parteichef der PVAP vor deren Auflösung im Januar 1990, hielt sich zu einem Privatbesuch in Moskau auf, in dessen Verlauf er der 'Rabotschaja Tribuna‘, einem eher reformkritisch orientierten Blatt, ein ausführliches Interview gab. Darin warnte er die Sowjetunion, „den polnischen Weg zu gehen“. In Polen werde zur Zeit künstlich eine „antisowjetische Stimmungsmache“ betrieben, Polen mache sich selbst völlig vom Westen abhängig.

Rakowskis Äußerungen stießen bei fast allen polnischen Zeitungen auf heftigen Widerspruch. Selbst Regierungssprecher Andrzej Zarembski wies Rakowskis Äußerungen als „schädlich für die polnisch-sowjetischen Beziehungen“ zurück. Er gab zu verstehen, die Regierung betrachte dies angesichts des anstehenden Besuchs von Premier Bielecki als Störmanöver.

Obwohl Rakowski nur zu einem Privatbesuch in Moskau war und keinerlei offizielle Funktion mehr erfüllt, wurde er von Michail Gorbatschow persönlich zu einem über eine Stunde dauernden Gespräch empfangen. Kurz darauf erfuhr Polens Öffentlichkeit, daß Bieleckis Besuch verschoben worden sei.