Israel setzt auf Repression

Regierung Schamir verschärft Maßnahmen gegen Palästinenser: Mehr Einreisebeschränkungen, mehr Deportationen, mehr Häuserzerstörungen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Hatte US-Außenminister Baker bei seinem Israel-Besuch betont, daß „vertrauensbildende Maßnahmen“ zwischen Israelis und Palästinensern notwendig seien, kam das israelische „Sicherheitskabinett“ in einer geheimen Marathonsitzung am Sonntag zu dem genau gegenteiligen Ergebnis: Um der israelischen Bevölkerung ein größeres Gefühl der Sicherheit und des Schutzes vor „palästinensischen Messerstechern“ zu geben — und der Regierung ein Alibi, daß „resolut eingeschritten“ wird —, beschloß das Kabinett Schamir ein in Zukunft noch härteres Vorgehen und eine weitere Verschärfung des repressiven Instrumentariums.

Dem „neuen Sicherheitspaket“ zufolge will die Regierung Schamir künftig Deportationen „aufwieglerischer Elemente“ unter den Palästinensern häufiger anwenden als bisher und die Prozedur der Ausweisung beschleunigen. Nicht nur die „Täter“, sondern auch die „Aufwiegler“ sollen bestraft, das heißt deportiert werden. Darüber hinaus soll das Verteidigungsministerium auch die Zerstörung von Häusern von Palästinensern auf breiterer Basis praktizieren, wenn es um „terroristische Umtriebe“ und deren Abschreckung geht. Die juristische Grundlage dieser Maßnahmen bilden die weiter bestehenden Sonderverordnungen der britischen Kolonialherrschaft aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die normale Gerichtsverfahren unnötig machen.

Auch die in der letzten Zeit verhängten Einreisebeschränkungen, die es nur wenigen Palästinensern mit Sondererlaubnis gestatten, die besetzten Gebiete zum Arbeiten in Israel zu verlassen, sollen weiter verschärft und von den Sicherheitsbehörden penibel praktiziert werden. Die Sicherheitsorgane einschließlich der Geheimdienste werden aufgefordert, ihre Computerkontrolle der Palästinenser zu präzisieren. Nur „verläßliche Elemente“ — Palästinenser, die seit vielen Jahren als „sicher“ und „definitiv unbescholten“ gelten — sollen nach Israel einreisen dürfen, und auch das nur in streng überwachten Gruppen von mindestens zehn Personen, die vor Sonnenuntergang wieder in die besetzten Gebiete zurückkehren müssen. Die Einreise wird außerdem künftig grundsätzlich nicht mehr mit Privatautos oder palästinensischen Taxis möglich sein.

Aus politischen Kreisen verlautete, daß in Zukunft auch die Deportation von Palästinensern in Ostjerusalem in Betracht gezogen wird, das von Israel annektiert worden ist und nach israelischem Recht damit nicht als besetztes Gebiet gilt. Ebenso soll die Bestrafung oder „Abschreckung“ der arabischen Bevölkerung auch in Ostjerusalem durch die Zerstörung von Häusern erörtert werden.

Der frühere Armeegeneral in den besetzten Gebieten und jetzige Knesset-Abgeordnete der oppositionellen Arbeiterpartei, „Fuad“ Ben Elieser, erklärte, daß die Verschärfung der Unterdrückungsmaßnahmen nur zu einer Explosion in den besetzten Gebieten führen könne. Die schwere Wirtschaftslage und die politische Hoffnungslosigkeit, mit der Israel die Palästinenser konfrontiert, können nur zu mehr und gewaltsamen Ausbrüchen führen; und die von der Regierung beschlossenen härteren Maßnahmen werden diesen Prozeß nur verstärken.

Und Schimon Peres, der Führer der oppositionellen Arbeiterpartei, wiederholte vor dem Hintergrund des „neuen Sicherheitspakets“ der Regierung Schamir seine Kritik, daß Israel die besetzten Gebiete aufgeben müsse, wenn es wirklich Frieden wolle. „Es ist illusorisch zu glauben, daß die besetzten Gebiete von Israel beherrscht werden. In Wirklichkeit werden wir zu Sklaven der besetzten Gebiete“, erklärte der Oppositionsführer.

Der „Tag des Bodens“, der Nationalfeiertag der Palästinenser, war am Samstag mit Demonstrationen in mehreren Orten und unter starker Präsenz der israelischen Polizei und Armee, aber ohne größere Zusammenstöße begangen worden. Am Sonntag wurde ein 17jähriger Palästinenser im Flüchtlingslager Tulkarm in der Westbank bei einer Demonstration von israelischen Soldaten erschossen.