Bloß Sack!

■ Demnächst in Bremen: Helge Schneider, Lachschlagerstar

Helge Schneider (37) liebt Hosen mit Schlag, stakst auf Plateausohlen über die Bühne und krakeelt dazu niederschmetterndes deutsches Liedgut. Die langen Pausen stopft er voll mit geniebehauchtem Kabarett von auserlesener Schlechtigkeit. Im taz-Gespräch konnte er glaubhaft machen, wie bitterernst ihm ist mit allem. Am kommenden Freitag und Samstag tritt Schneider, je um 23 Uhr, in der Schauburg (Gr.Haus) auf.

Helge Schneider: (blickt auf die Uhr, lacht meckernd)

taz: Wieviel Zeit haben wir?

Helge Schneider: Eineinhalb Minuten.

Schluck. Für eine halbe Seite Text!

Kannst ja die Jahreszahlen ausschreiben. „Geboren noiiinzeeehnhundertfümfundfüüüümfzick.“ Hähähähähä! Und wir könn' sehr schnell reden. Alsoerstefrage!!!

Du wirst gefeiert als neuer großer Unterhaltungskünstler. Dabei kannst du nicht mal singen. Was sonst nicht?

Is' nich' wahr. Ich hab Klavier gelernt. Und Tenorsaxophon. Und ein Stück in der Show, da spiel ich Gitarre! Mein Traum! Als Kind schon. Da hatte ich eine, also zwar keine Gitarre. Hm. Sondern es war ein Cello. Aber ich hab's so gehalten. Und jetzt hab ich's geschafft.

Wovon alle träumen!

Ja, ich hab's geschafft. Und studiert! Schreib das: studiert!

Von wann bis? Ham wir schon zwei Jahreszahlen.

Äh...nur ein Jahr.

Und jetzt Bühne.

Ja. Da tanze ich. Und spiele, und erzähle auch. Und singe.

Was?

Na, so Lieder. „Ich geh einsam durch die Straßen“. Ziemlich langer Text. „Und mein Herz ist voller Tränen“. Kennsde nich. Hm. „Warum hasde mich verlassen, und du wohnst jetzt bei dem andern.“ Das sind so Sachen: wie man spricht, so auch gesungen. Dat is mein Rezept. Manchmal sag ich auch Sauereien. Über den Papst.

Welche noch?

Also „Fotze“ sag ich nich. Bloß „Sack“ sag ich mal. Aber erst nach der Pause. Vorher müssen die Kinder raus. Und dann spinn ich halt so rum. Das kann schon hart werden. In Frankfurt sind vier Leute rausgegangen.

Manchmal singst du, als wärst du noch im Stimmbruch. Oder bist du damit schon durch?

Jaaa. Dat denksde bloß, weil ich oft ausfallend werd'. Hinterher schreibt die Presse dann: Der singt schief. Oder schräg. Alles verkehrt. Geht mir am Arsch vorbei, nich. Alles erfunden.

Dafür kiekst du aber nicht schlecht.

Naja, ich schrei schon mal, wat heißt schreien, ich leg da halt alles rein! Hähähähähä! Früher, als ich noch kein' Führerschein hatte, da ging das ja alles mit Bus und Bahn; ich und Sergej mit'm Rollwagen, überall hin; da hab ich dann immer auf'm Hocker, mit Russenmütze auf, nich, Kalinka gesungen, zum Akkordeon. Also so geschrieen. Einmal hat einer geschrieben, det wär alles nur, weil ich schon mit zwei Jahren eine Brille tragen mußte.

Jedenfalls hat dein Geschrei eine enorme Spannweite!

Sechs Oktaven. Das wär so schön, wennde dat schreiben würdest: Spannweite sechs Oktaven!

Vom Brunnenbaß bis zum Hühnerhofquäker.

Ach, Quäker, schreib lieber: Koloratursopran.

Du bist schon erfolgreich genug.

Wat heißt Erfolg. Ja, dat Fernsehn. Aber da is– eigentlich bloß eine Sache, die Off-Show beim WDR. Da kann ich wenigstens machen, wat ich will, auch vorproduzieren, kleine Filme und so, bei mir zu Hause oder im Hafen und irgend so'n Mist. Und dat kommt dann im Fernsehn! Das meiste schlecht und unter aller Sau, aber dat kommt im Fernsehn. weil die alles nehmen. Dat find ich ganz klasse.

Und auf der Bühne? Bist du wirklich ein Drauflos-Redner?

Ja. Eben weil ich manchmal wat ganz anderes erzählen will. Da steh ich auf der Bühne und denke, Mann, is dat langweilig jetzt. Muß ich mal kucken. Kann nich schon wieder meine Heinrich- Heine-Geschichte bringen. Obwohl, die is gut.

Aber ein bißchen mußt doch selbst du am Schreibtisch vorausplanen.

Ich hab gar keinen Schreibtisch. Dat entsteht alles auf der Bühne. Wir proben gar nicht mehr. Ham wir früher gemacht. Und gemerkt: hat alles kein– Wert. Da ham wir eine Woche lang neue Lieder geübt. Keins davon ist ins Programm gekommen.

Andere bleiben für immer drin, z.B. „Hunderttausend Rosen“.

Ja, hundertausend Rosen schicke ich zu dir, dafür bleibst du bei mir, für immer, für immer. Das bleibt, das sind ganz abgeklärte Metaphern.

Wofür?

Ach, für hunderttausend Küsse. Oder hunderttausend Mark.

Dann bist du der letzte, der die großen Themen des deutschen Schlagers ernst nimmt.

Och ja, schon ernst. Klar. Aber Verdammt ich lieb dich von dem...dem Reim, dat is ein Ernst! Dagegen bin ich witzig! Interview: Manfred Dworschak