Kompromittierende Kompromisse in China

Der britische Außenminister Douglas Hurd besucht Peking/ Streit um Hongkongs Flughafenprojekt soll beigelegt werden London bietet Zurückhaltung in der Menschenrechtsfrage/ China will Vetorecht in allen wichtigen Entscheidungen in Hongkong  ■ Aus Peking Simon Long

Der britische Außenminister Douglas Hurd trifft heute nach seinem kurzen Abstecher nach Hongkong in Peking ein, wo er versuchen wird, den jüngsten Streit zwischen China und Großbritannien über Hongkong beizulegen — die Kolonie wird 1997 unter chinesische Souveränität zurückfallen. Dabei geht es um die Weigerung Chinas, die Pläne der Hongkonger Regierung zum Bau eines riesigen Hafen- und Flughafenprojektes zu akzeptieren. Peking hat angedeutet, daß es dieses Projekt, dessen Kosten auf weit mehr als 10 Milliarden US-Dollar geschätzt werden, als ein britisches Komplott sieht, um Hongkong bis 1997 seiner Finanzreserven zu berauben. So ist das Projekt zum Testfall für die chinesische Forderung geworden, Mitspracherecht in jeder größeren politischen Entscheidung in Hongkong zu haben, die eine Auswirkung über 1997 hinaus hat.

Dies ist der jüngste einer Serie von britisch-chinesischen Konflikten um Hongkong. In den vergangenen zwei Jahren ging es unter anderem um das Angebot Großbritanniens, 50.000 Pässe für Hongkongs Elite und ihre Familien zur Verfügung zu stellen. Ebenso um den chinesischen Vorwurf, Hongkong werde als Basis antikommunistischer Subversion benutzt.

Das Flughafenprojekt sei Symbol für das Vertrauen in die Zukunft des Territoriums, hatte die Hongkonger Regierung verkündet, als sie die Pläne veröffentlichte. Seine Realisierung indes, die teils durch den Privatsektor finanziert werden soll, hängt vom zumindest stillschweigenden Einverständnis Chinas ab.

Optimistisch hatte der chinesische Außenminister Qian Qichen in der vergangenen Woche geäußert, daß Hurds Besuch das Problem lösen könnte. Es ist anzunehmen, daß sich die Briten dazu verpflichten sollen, daß Hongkong das Projekt auf kleinerer Schiene fährt. Dazu würde auch die Garantie gehören, daß Hongkongs Regierung 1997 noch über ein gewisses Minimum finanzieller Reserven verfügt.

Der Besuch Hurds stellt an sich bereits ein Zugeständnis der Briten dar. London sah den Disput als einen Konflikt zwischen Hongkong und Peking und hatte gehofft, sich heraushalten zu können. China jedoch — das die Hongkonger Regierung als „koloniales“ Regime betrachtet und verkündet, daß „China allein berechtigt ist, das Volk von Hongkong vor 1997 zu repräsentieren“ — bestand auf Verhandlungen mit London. Bei seinem Besuch in Hongkong am Dienstag hatte Hurd seine Unzufriedenheit mit der Umsetzung des Abkommens, das die Rückgabe 1997 vorsieht geäußert.

Um die weiterbestehenden Kontakte zur rechtfertigen, verweist Großbritannien auf sein spezielles Interesse an Hongkong, trotz der Frage der Menschenrechte in China. Hurd wird der erste Außenminister eines der führenden Industrieländer sein, der China seit dem Pekinger Massaker vom Juni 1989 besucht, wenn auch der spanische Außenminister Francisco Fernandez im vergangenen November in Peking war. Hurd kommt kurz nach dem sowjetischen Außenminister Alexander Bessmertnych nach Peking, und später in dieser Woche trifft auch sein japanischer Kollege Taro Nakavama ein. Für die chinesische Regierung, die diese Besuche für ihre Propagandazwecke nutzt, sind sie der Beweis, daß China nun wieder ein vollständig akzeptiertes Mitglied der internationalen Gemeinschaft geworden ist.

In einem Artikel des Londoner 'Independent‘ in der vergangenen Woche sprach sich Hurd für die Beibehaltung der Kontakte zu China aus, nicht nur wegen Hongkong, sondern auch aufgrund Chinas Position als ständiges Mitglied des UN- Sicherheitsrates. Fortwährender Druck, erklärte er, könne zur Verbesserung der Menschenrechte in China führen. Tatsächlich jedoch hat Großbritannien nicht interveniert, als im vergangenen Monat drei Hongkonger von einem chinesischen Gericht zu Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren verurteilt wurden. Sie waren beschuldigt worden, chinesischen Aktivisten der Demokratiebewegung bei ihrem Fluchtversuch aus China geholfen zu haben.

Hurd hatte weiterhin angekündigt, er wolle bei seinem Besuch die Lage der Menschenrechte in China ansprechen. Das jedoch wird er sehr lautstark tun müssen, will er der von Teilen der britischen wie auch Hongkonger Öffentlichkeit geäußerten, unvermeidlichen Anschuldigung entgehen, seine Regierung betreibe eine reine Beschwichtigungspolitik.