Algeriens Regierungspartei strickt sich ein genehmes Wahlgesetz

 ■ Von Oliver Fahrni

Paris (taz) — Der Nachtflug der Air Algérie von Béchar nach Algier erfuhr am Sonntag eine unwillkommene Velängerung: Ein Flugpirat hielt Passagiere und Besatzung einige Stunden lang fest, um die Verlesung eines Kommuniquées im Fernsehen zu erzwingen. In seiner Mitteilung geißelt der Mann die Demagogie der Islamisten und fordert die Verschiebung der ersten freien Parlamentswahlen, die für den 27. Juni vorgesehen sind. Auch eine Art, den Wahlkampf zu beginnen.

Die radikalen Moslems von der Islamischen Heilsfront (FIS) gelten nach ihrem Erdrutschsieg bei den Bezirkswahlen vom vergangenen Juni als Favoriten. Derweil beschloß die von der regierenden FLN dominierte Nationale Volksversammlung jedoch ein neues Wahlgesetz, in dem die Deputierten es so richteten, daß die Chancen der Islamisten geschmälert und die der seit 27 Jahren regierenden FLN verbessert werden.

Der eine umstrittene Punkt ist das Recht des Ehegatten, für den jeweils anderen Part an die Urne zu gehen, was bislang den Männern und der Islamischen Heilsfront zugutekam. Die Volksversammlung hat dies jetzt eingeengt, aber nicht abgeschafft.

Der zweite Streitpunkt ist die auf die FLN maßgeschneiderte Aufteilung der Wahlkreise. Sie gibt den ländlichen Regionen ein Übergewicht und benachteiligt die Städte, in denen die islamistische FIS klare Mehrheiten hat. Mit der Einführung des Mehrheitswahlrechts möchte die FLN erreichen, daß die Stimmbürger vor der Alternative FLN oder FIS sich letztendlich doch für die regierende Befreiungsfront entscheiden.

Dadurch fühlen sich aber auch die „demokratischen Parteien“, etwa Said Saadis Kabylenpartei ROD oder Ait Ahmeds sozialdemokratische FFS, benachteiligt. Sie nehmen das Gesetz zum Anlaß, um eine Vertagung der Wahl zu fordern. Denn die jungen Parteien haben nur notdürftige Strukturen und sind in einen heftigen Kampf der Häuptlinge verwickelt. Gewinnen aber können sie nur, wenn sie sich im zweiten Wahlgang gegen FIS und FLN zusammentun.