Diplomatischer Erfolg für Iraks Opposition

■ Gespräche in Washington mit Vertretern der Kurden noch in dieser Woche/ Kurdische Flüchtlinge stehen an der türkischen Grenze/ Irakische Soldaten schnitten Fluchtweg nach Syrien ab/ Appelle um humanitäre Hilfe für Kurden

Paris/Damaskus/Berlin (dpa/afp/ taz) — Nach langem Zögern wird die US-Regierung nun wahrscheinlich noch in dieser Woche mit Vertretern der Kurden über die Lage im Irak sprechen. Washington ist grundsätzlich auch bereit, mit Abgesandten der schiitischen Opposition zu reden. Das teilte der Sprecher des Außenministeriums, Richard Boucher, am Montag mit. Er bekräftigte jedoch zugleich erneut die Politik der USA, sich nicht in den Bürgerkrieg im Irak einzumischen.

Kurdischen Angaben zufolge soll es sich um eine gemeinsame vierköpfige Delegation der irakischen Opposition handeln, die jetzt nach Washington geschickt wird. Als Vertreter der Kurden soll ein führendes Mitglied der Patriotischen Union Kurdistans mit von der Partie sein. Bei den drei anderen Vertretern handele es sich um Araber. Auf welcher Ebene und an welchem Ort das oder die Treffen stattfinden werden, ist nach Angaben Bouchers noch nicht geklärt. Bisher hatte die US-Regierung jegliche politische Kontakte zur irakischen Opposition abgelehnt.

Vor dem Hintergrund der Offensive der irakischen Regierungstruppen gegen den Aufstand in Kurdistan berichteten Oppositionelle und Journalisten gestern wieder über massive Fluchtbewegungen. Offensichtlich versuchen Zehntausende oder gar Hunderttausende aus Angst vor Racheaktionen der Soldaten über die schneebedeckten Berge in die Türkei zu gelangen. Andere ziehen sich aus den Städten in die gebirgigen Regionen des irakischen Kurdistan zurück. Die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker wies am Dienstag darauf hin, daß entgegen anderslautenden Meldungen die Kurden nach wie vor von türkischen Grenztruppen zurückgewiesen würden. Lediglich rund 3.000 Turkmenen aus dem Irak hätten über Ostern die Grenze passieren dürfen. Die Menschenrechtsorganisation forderte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in einem Brief auf, sich mit Nachdruck bei der türkischen Regierung für eine Öffnung der Grenze für kurdische Flüchtlinge einzusetzen.

Die irakische Armee schnitt unterdessen am Dienstag den einzigen Übergang an der irakisch-syrischen Grenze im Norden des Landes ab. Dort war es zu Gefechten zwischen Regierungssoldaten und kurdischen Kämpfern gekommen. Vermutlich wollen die Soldaten den Kurden einen Rückzug verwehren. Der Übergang hat für die Kurden eine große Bedeutung, denn von hier aus waren zahlreiche Kurden, die sich zunächst in Syrien gesammelt hatten, in das Aufstandsgebiet zurückgekehrt. Wegen der Kämpfe saßen auch rund zwanzig ausländische Journalisten zwischen der Stadt Zakho und dem Tigris, der hier die Grenze markiert, fest. Auch die Straße wurde beschossen. Über die Lage in Zakho, wo sich das Hauptquartier der Aufständischen befindet, gab es gestern keine neuen Informationen.

Angesichts der Offensive der Regimetruppen appellierte die Kurdistan-Front in einem Aufruf an die UNO, das Internationale Rote Kreuz und die Weltöffentlichkeit, das Regime Saddam Husseins zu veranlassen, den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und in anderen Teilen des Landes zu beenden. In einem anderen Appell warnte Massud Barzani, Chef der Demokratischen Partei Kurdistans, gestern vor einem kollektiven Massaker in Kurdistan. Er forderte humanitäre Organisationen auf, Lebensmittel, Medikamente und Zelte für die Flüchtlinge zu schicken.

In der Bundesrepublik forderte die Hilforganisation medico international in Frankfurt die „Durchsetzung der strikten Einhaltung der Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens, das der irakischen Regierung den Einsatz von Hubschraubern und Kampfflugzeugen nur für zivile Aufgaben erlaubt. Medico, das mit der Kurdish Relief Association zusammenarbeitet, forderte darüber hinaus eine sofortige Sondersitzung des Bundestages, die sich mit dem Schutz und der humanitären Versorgung der bedrohten Bevölkerung im Irak beschäftigt. bs

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