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Mit Rushdie gegen Rafsandschani

Seminar der „Radikalen“ in Teheran hält an Mordaufruf und Kopfgeld fest/ Vergebliche Torpedierungsversuche der Politik des Präsidenten/ Brite freigelassen  ■ Von Ahmad Taheri

Berlin (taz) — Muslimische Gottesstreiter bekommen „nur“ eine Million Dollar, wenn sie das „historische Urteil“ des Ayatollah Khomeini ausführen und den britisch-indischen Autor Salman Rushdie ermorden. Rushdies Freunde, Verwandte oder Leibwächter hingegen erhalten die doppelte Mordprämie, wenn sie den abtrünnigen Dichter ins Jenseits befördern. Dies beschloß ein dreitägiges Seminar, das unter dem Namen „Klärung des historischen Urteils des Imam“ von der Stiftung „15. Khordad“ in Teheran abgehalten wurde. Die „Stiftung“, eine Domäne der radikalen Fundamentalisten, führt seit dem Erscheinen der Satanischen Verse die Anti-Rushdie-Kampagne im Iran. Das Seminar war rasch zusammengerufen worden, als im fernen London Rushdie Reue bekundete und sich von „mißverständlichen Passagen“ der Satanischen Verse distanzierte.

„Nach der Regel aller fünf islamischen Rechtsschulen“ — so eröffnete der schiitische Falke Ayatollah Said Djafar Karimi die Debatte — „muß ,Sabb an-Nabi‘ (Prophetenbeleidigung) mit dem Tode bestraft werden. Ein solches Urteil, einmal verhängt, kann nur von dem Propheten selbst oder den zwölf heiligen Imamen aufgehoben werden. Denn die Prophetenbeleidigung wird nach Gottesrecht bestraft. Sie ist das schlimmste Verbrechen im Islam.“

Der Ehrengast und Schirmherr der Radikalen, Achmad Khomeini, Sohn des verstorbenen Revolutionsführers, erklärte: „Die Satanischen Verse sind Teil der internationalen Verschwörung gegen den Islam und die islamische Revolution.“ Der Westen, so Achmad Khomeini, spreche von der Freiheit der Rede. Seine Freiheit sei aber nur die Freiheit der niederen Triebe. Im Islam bedeute die Freiheit die Befreiung des Individuums vom „Nafs“, von der eigenen Triebseele.

Die Beschlüsse des Seminars wurden durch eine Anti-Rushdie-Demonstration vor der britischen Botschaft in Teheran bekräftigt. Fachrudbim Higjazi, ein Teheraner Abgeordneter, kritisierte die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur „antiislamischen Regierung von London“. „Der Westen“, wütete Higjazi, der einst wegen Päderastie aus seiner Heimatstadt Maschad vertrieben wurde, „begegnet stets dem Islam mit Haß und Feindschaft.“ Die antiislamischen Kräfte bezahlten einen dubiosen Inder dafür, daß er die Religion seiner Ahnen beleidige. „Wir kämpfen nicht gegen Rushdie, sondern gegen ein internationales Komplott“, meinte Higjazi. Wäre Rushdie nur ein Autor wie andere, hätte ihn die britische Polizei kaum mit solchem Aufwand geschützt.

Mehrere hundert Teilnehmer der dem radikalen Block nahestehenden „Islamischen Studentenvereine“ riefen vor der britischen Gesandtschaft „Tod Rusdhie, Freiheit für Kokabi!“. Kokabi, ein iranischer Student in England, saß bis vor kurzem im Londoner Kerker. Die Briten beschuldigten ihn mehrerer Anschläge auf Londoner Buchläden, wo die Satanischen Verse verkauft wurden.

Die neue Rushdie-Kampagne ist ein weiterer Versuch der Teheraner Radikalen, die Politik Rafsandschanis, nämlich die Annäherung an den Westen, zu torpedieren. Der Staatspräsident hatte sich mit der Anerkennung der UN-Resolutionen gegen Saddam Hussein politisch auf die Seite der westlichen Alliierten gestellt. Die diplomatischen Beziehungen zu London, die wegen der Rushdie-Affäre unterbrochen waren, wurden wieder aufgenommen. Vorläufiger Höhepunkt dieser Wiederannäherung war die gestrige Freilassung des britischen Geschäftsmanns Roger Cooper, der fünf Jahre wegen des Vorwurfs der Spionage in iranischer Haft verbrachte. Seine Freilassung erfolgte unter strikter Geheimhaltung, um den Radikalen kein neues Wasser auf ihre Mühlen zu gießen.

Darüber hinaus war die iranische Hauptstadt in den letzten Wochen des Golfkrieges zu einer Drehscheibe der Ost-West-Diplomatie avanciert. Auch in Riad, der Hauptstadt des verhaßten saudischen Königreichs, weht inzwischen erneut die Trikolore der Islamischen Republik. Die Beziehungen zu Saudi-Arabien waren wegen der blutigen Auseinandersetzungen während der Pilgerfahrt im Jahre 1987 unterbrochen worden.

Indes blieb die Hoffnung der radikalen Fundamentalisten auf der Strecke, den leicht erregbaren Revolutionsführer Ali Khameini für ihre Kampagne zu gewinnen, um dem Kongreß ein internationales Echo zu verschaffen. Khameini versagte sogar dem Seminar die übliche Grußbotschaft.

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