Nagel will »Palazzo Prozzo« erhalten

■ Bausenator erklärt bei Besuch des Bezirks Mitte, daß das Symbol der DDR-Geschichte nicht abgerissen werden dürfe/ Bezirk soll »bewohnerorientiert« saniert werden/ Endlich Millionen aus Bonn

Mitte. Bausenator Wolfgang Nagel hat sich gestern dafür ausgesprochen, den asbestverseuchten Palast der Republik zu erhalten. Sein Eindruck sei, daß die Befürworter eines Abrisses »das Symbol der ehemaligen DDR vernichten wollen«. Als Historiker wende er sich dagegen, Geschichte zu verdrängen — egal welcher Epoche — und Bauten aus bestimmten Zeiten einfach zu vernichten. »Wir müssen lernen, auch die 40 Jahre DDR als deutsche Geschichte zu betrachten«, sagte der SPD-Politiker. Die Nutzung des Volkskammergebäudes sei davon abhängig, ob Berlin Regierungsstadt werde. Eine Asbestsanierung sei auf Grund neuer Verfahren billiger als bisher. Gemeinsam mit Baustadträtin Dorothee Dubran aus Mitte war Nagel allerdings dafür, daß das Außenministerium abgerissen werden soll. Das Hochhaus gegenüber dem Republik-Palast verbaue den Marx- Engels-Platz. Bausenator Nagel hatte sich gestern im Rahmen seiner »Bezirksbesuche« im Bezirk Mitte informieren lassen. In der Galerie des Scheunenviertels stellte sich der Politiker der Presse. Stadträtin Dubran (Bündnis 90-nah) bemängelte, daß viele Bauvorhaben nicht fortgeführt werden könnten, weil der Haushalt für den Ostteil erst im Mai verabschiedet werde. Bis dahin fehle aber das Geld, Baufirmen hätten ihre Arbeit unterbrechen müssen. Durch die gesperrten Haushaltsgelder müßten viele Bauunternehmen kurzarbeiten lassen, das fördere wiederum die Arbeitslosigkeit, bemängelte Dubran. Der Senator hoffte gestern, daß durch das »Enthemmungsgesetz«, daß in Bonn Anfang dieser Woche verabschiedet wurde, einiges leichter werde. Das Bonner Paragraphenwerk erlaube die Bebauung von Grundstücken und die Vergabe von langfristigen Miet- und Gewerbeverträgen auch dann, wenn die Eigentümerfrage nicht geklärt sei, so Nagel. Außerdem hatte Bundesbauministerin Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP) vorgestern für die kommenden vier Jahre 1,5 Milliarden Mark Städtebau-Förderungsmittel für Ostdeutschland zugesagt. Nach Angaben von Nagel bekommt der Ostteil Berlins von der Summe in den kommenden zwei Jahren 118 Millionen Mark. Zusammen mit Berliner Mitteln würden dieses Jahr für die Beseitigung von Wohnungsleerstand im Ostteil 100 Millionen Mark ausgegeben. Die Überholung von Heizungsanlagen werde noch einmal mit 100 Millionen Mark finanziert. Jetzt sei der Wohnungsneubau ab sofort möglich. Dennoch bezeichnete der SPD- Senator die Bonner Mittel als »jämmerlich«. Alleine bis Ende dieses Jahres würden für die Beseitung von Leerstand im Ostteil 600 Millionen Mark nötig sein.

Eines der größten Bauprojekte in Mitte ist derzeit die Charité, die für 6.000 Menschen Arbeitsplätze bietet. Dieses Jahr fließen in die Sanierung des Krankenhauskomplexes 265 Millionen Mark. Eine weitere halbe Milliarde ist für »die Stadt in der Stadt« (Nagel) vorgesehen. Den Berlinern im Bezirk Mitte versprach Nagel gestern, daß ihr Kiez »bewohnerorientiert« saniert werden solle. Niemand solle mit hohen Mieten rausgedrängt werden, das vorhandene Mischgewerbe sei stark ausgeprägt und dürfe durch architektonische Großprojekte nicht vernichtet werden. Dennoch sei der Druck von Investoren groß. Nagel appellierte an Bonn, daß deshalb für die FNL und Ost-Berlin eine Obergrenze für Mieten festgelegt werden müsse. Eine Entscheidung über den Investor für die Friedrichsstadt Passagen werde in den nächsten 14 Tagen fallen. Dirk Wildt