Aussage gegen Aussage beim BR

■ Streit um die Unabhängigkeit des Bayerischen Rundfunks

„Der Bayerische Rundfunk ist keine unabhängige Rundfunkanstalt, sondern ein Regierungssender.“ Der Vorwurf, den der SPD-Landtagsabgeordnete Heinz Kaiser im Fernsehausschuß an die Adresse der Leitung des Bayerischen Rundfunks macht ist nicht neu. Neu ist, daß der Landtag jetzt klären muß, ob ein Ministeriumsvertreter oder der BR-Intendant über einen im BR ausgestrahlten Film gelogen hat.

Ende Januar lief im Dritten Fernsehprogramm des BR der Film Bauern auf neuen Wegen. Im Mittelpunkt standen zusätzliche Einkommensquellen von Landwirten. Doch wer den Film in Auftrag gegeben hat, von wem die inhaltlichen Vorgaben stammen, und wie es zur Ausstrahlung gekommen ist, darüber streiten sich die Geister. BR-Intendant Scharf betont, die redaktionelle Verantwortung für den Streifen habe in seinem Haus gelegen. Zudem habe der Bayerische Rundfunk „noch nie für jemand anderen etwas produziert, das der BR nicht habe senden wollen“. Fernsehdirektor Wolf Feller sprang seinem angegriffenen Intendanten sofort bei und behauptete, daß das Drehbuch für den Film von dem zuständigen BR-Ressortleiter Erich Geiersberger verfaßt worden wäre. Dann habe das Landwirtschaftsministerium Interesse bekundet, den „Film, wie ihn Geiersberger konzipiert habe, auch für Schulungszwecke einzusetzen“. Dafür habe das Ministerium auch bezahlt.

Pech für Feller und Scharf, daß einen Tag zuvor im Landwirtschaftsausschuß des Landtags Ministerialrat Theo Weber vom Agrarministerium genau das Gegenteil bekundet hat. Weber beansprucht die Idee für diese Filmproduktion für sich. Von Anfang an sei es ihm darum gegangen, den Streifen für Schulungszwecke einzusetzen.

Mit der BR-Tochtergesellschaft Telepool und einem freien Mitarbeiter vom BR sei man dann über die Konditionen (Kosten knapp 94.000 D-Mark einig geworden. Weber betont, daß die inhaltlichen Vorgaben von seinem Ministerium stammen und „bei der Produktion und vorher nie“ von einer Ausstrahlung im Fernsehprogramm die Rede gewesen sei. Aussage steht damit gegen Aussage.

Erst Mitte Februar war dem BR mangelnde Unabhängigkeit vorgeworfen worden. Damals hatte der Sender drei Tage vor dem Volksentscheid über ein neues Abfallwirtschaftsgesetz im Freistaat den Film Wohlstandsmüll im Fegefeuer ausgestrahlt. Der Streifen stellte die Müllverbrennung als harmlos und umweltverträglich dar und bezog damit Stellung für die Vorlage der Staatsregierung beim Volksentscheid. Die grüne Fernsehrätin Margarete Bause hat jetzt eine offizielle Programmbeschwerde gegen den Film eingelegt. Der BR habe mit der Ausstrahlung des überwiegend von der Müllverbrennungslobby finanzierten Streifens gegen den Programmgrundsatz verstoßen, keine einseitige Parteinahme für Sonderinteressen zu erlauben. Bernd Siegler