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Gynäkologe wegen Abtreibung im Gefängnis

Ärzte werden noch heute wegen Abbruchs in Spanien vor Gericht gestellt/ Regierung will Abtreibungsgesetz ändern  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Anfang dieser Woche stellte sich der spanische Gynäkologe German Saenz de Santamaria der Polizei — und wurde umgehend im Gefängnis von Malaga inhaftiert. In der vergangenen Woche hatte der Oberste Gerichtshof in Madrid die Haftstrafe von vier Jahren gegen den Arzt bestätigt, und das Landgericht in der andalusischen Stadt Malaga hatte daraufhin einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt.

Das Verbrechen von German Saenz de Santamaria: 1984 hatte er an einem 14jährigen Mädchen eine Abtreibung vorgenommen, das regelmäßig jahrelang von einem Verwandten vergewaltigt worden war. Daß die Sozialministerin Matilde Fernandez sich für den Arzt einsetzt und die Regierung ihn begnadigen will, ist German schnuppe. Eine Begnadigung will er nicht akzeptieren, da hier keine Schuld vorgelegen habe.

Der Fall des Arztes aus Malaga ist nur der jüngste einer ganzen Kette von Prozessen gegen Ärzte, die Abtreibungen durchgeführt haben. Viele der angeklagten Abbrüche wurden wie dieser in der Zeit der frankistischen Gesetzgebung vorgenommen, während derer Abtreibung generell verboten war. Doch auch die Verabschiedung eines Abtreibungsparagraphen durch die sozialistische Regierung 1985 hat die Lage der Frauen und der Ärzte kaum gebessert.

Generell ist in Spanien die Abtreibung immer noch verboten und nur in drei Ausnahmefällen gestattet: bei schwerer Gefahr für das Leben oder die psychische Gesundheit der Mutter, bei Vergewaltigung oder bei zu erwartender schwerer Schädigung des Fötusses. Die rigiden Einschränkungen des Gesetzes sowie die moralischen Bedenken der meisten Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen haben dazu geführt, daß nur ein winziger Prozentsatz der Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern und auf Kosten der Krankenkassen durchgeführt wird. Die überwiegende Mehrzahl der Frauen nimmt in Privatkliniken Zuflucht, deren Ärzte weniger von Gewissensbissen geplagt sind und sich privat bezahlen lassen. Selbst von diesen Kliniken gibt es in manchen Regionen Spaniens nicht eine einzige. Zu einer Verminderung dieser Kliniken trägt auch die Verfolgung bei, der sich Ärzte durch die Justiz ausgesetzt sehen.

So werden Frauen häufig Jahre nach einer Abtreibung durch ihren ehemaligen Mann angezeigt, der sich auf diese Weise an ihr rächt. Betagte Richter, deren Mentalität noch aus der Franco-Zeit stammt, sind gerne bereit, Ärzte und Patientinnen zu verurteilen. So wurde erst vor kurzem in Valencia ein Arzt verurteilt, der an drei Frauen Abtreibungen vorgenommen haben soll. Daß alle drei Frauen bereits drei Kinder hatten, von ihrem Mann nicht unterstützt wurden und als Putzfrauen arbeiteten, war dem Gericht nicht Grund genug.

Der Mangel an öffentlichen Möglichkeiten sowie die gesetzlichen Einschränkungen führten vor zwei Wochen zum Tod einer 29jährigen Frau, die aufgrund von bürokratischen Wartezeiten erst in der 18.Woche abtreiben konnte und dabei verblutete.

Während sich die Gerichte nicht scheuen, abtreibende Frauen und Ärzte zu verurteilen, können Vergewaltiger mit mehr Verständnis rechnen. So sprach der Oberste Gerichtshof in Madrid kürzlich einen Vergewaltiger frei, der eine Frau mit einer Rasierklinge bedroht hatte. Die Einschüchterung, so befand das Gericht, sei nicht ausreichend gewesen, um den Willen der Bedrohten zu lähmen, insofern sei es keine Vergewaltigung gewesen.

Nach Angaben aus feministischen Kreisen sind seit der Verabschiedung des Abtreibungsgesetzes 1985 über 100 Prozesse wegen Abtreibung geführt worden. 53 Prozesse stehen heute noch aus, die Hälfte der abgeschlossenen Verfahren endete mit Verurteilungen. Die Situation ist inzwischen selbst der Regierung peinlich, und der Generalbundesanwalt forderte vor kurzem eine Ausweitung der gesetzlichen Vorschriften. Doch entgegen den Vorstellungen der Linksunion Izquierda Unida, die bereits im letzten Sommer eine Fristenlösung von 16 Wochen vorschlug, tendiert das Justizministerium wieder einmal zu einer Minimallösung: Eine sozioökonomische Indikation solle hinzukommen, heißt es dort.

Spaniens Sozialministerin Matilde Fernandez hat sich am Mittwoch in einem Interview für die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen, erteilte aber zugleich einer sozialen Indikation eine Absage. Entschieden ist vorerst noch nichts — und solange nehmen die Prozesse kein Ende.

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