Unser Mann in Genf ist tot

■ Graham Greene, Autor von Spionage- und Krimiklassikern und langjähriger Nobel-Kandidat, ist gestorben

Berlin (taz) — Unser Mann in Genf ist tot. Im Alter von 86 Jahren starb der Autor von Klassikern wie Die Komödianten, des Drehbuchs zum berühmten Spionagethriller Der dritte Mann und Unser Mann in Havanna gestern mittag in einem Krankenhaus in Vevey.

Greene hielt sich in den letzten Jahren regelmäßig am Genfer See auf, die meiste Zeit lebte er allerdings in Antibes in Südfrankreich. Hier engagierte er sich öffentlich noch bis ins hohe Alter — so etwa mit einer Schmähschrift gegen politische Mißstände in Nizza.

Der 1904 in Hertfordshire geborene Sohn eines Schuldirektors hatte nach dem Collegebesuch zunächst als Journalist und Filmkritiker gearbeitet, bis in den Jahren 1929 bis 1931 seine ersten drei Bücher erschienen, Actionromane in der Tradition von Schatzinsel-Autor Stevenson. Danach entschied Greene, künftig nur noch zwei Kategorien von Büchern zu schreiben: leichtere Unterhaltungsliteratur und ernsthafte Romane.

Die politischen Intrigen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, Spionage und der Kampf zwischen den USA und der Sowjetunion um die weltweite Vorherrschaft waren Thema der 1951 beziehungsweise 1958 erschienenen Romane Das ruhige Amerika sowie Unser Mann in Havanna. Greene schrieb einen exquisiten Stil und stellte den Inbegriff des englischen Gentleman dar, der mit leicht unterkühltem Humor die Wirklichkeit in ihrem vollen Umfang zur Kenntnis nimmt — einschließlich komischer Zufälle und aus der Not geborener Handlungsverläufe, wie sie die Story von Unser Mann in Havanna auszeichnen. Mehrere seiner Romane wurden in den Hauptrollen mit Alec Guinness verfilmt — eine Art Parallelverschiebung desselben Typus englischen Geheimdienstlers, wie ihn neben Graham Greene auch John le Carré verkörpert.

1951 veröffentlichte Greene unter dem Titel Die verlorene Kindheit eine Sammlung kritischer Essays. Zum umfangreichen Schaffen des britschen Schriftstellers gehören neben Kurzgeschichten auch Märchen für Kinder und die beiden Reisebücher Unterwegs ohne Landkarte und Die gesetzlosen Straßen. Der Autor, der 1926 zum katholischen Glauben übertrat, wehrte sich stets dagegen, als „katholischer Schriftsteller“ klassifiziert zu werden.

Wie seit der Greene-Biographie von Norman Sherry bekannt ist, trat der Anglikane nicht aus religiöser Überzeugung jenem Verein bei, dessen Kurie er unlängst erst mit dem sowjetischen Politbüro verglich (bloß mit dem Unterschied, daß sich selbst in Moskau die Dinge allmählich änderten, fügte er verschärfend hinzu): Vivien Dayrell-Browning, eine strenggläubige Katholikin, ließ sich erst durch diesen Akt zur Heirat bewegen. Mit einer scharfen Attacke auf den Papst und die Einstellung der katholischen Kirche zu Verhütungsmitteln und der ihnen zugrunde liegenden Praxis hatte Greene sich zuletzt 1989 öffentlich geäußert. In einem Interview verglich er Papst Johannes Paul II. mit dem früheren US- Präsidenten Ronald Reagan, was die Publicity- Sucht anbetraf. Die USA hatten dem Schriftsteller, einem politischen Freund Daniel Ortegas, übrigens des öfteren die Einreise verweigert.

Nur spekulieren kann man, ob die unter Schriftstellern hohen Alters grassierende schwedische Krankheit zum Tod des Autors beigetragen hat. Im Alter von 80 Jahren gab der brillante Epiker bekannt, er habe aufgehört, sich über das Ausbleiben des Nobelpreises zu ärgern. Elke Schmitter