Waffenstillstand in El Salvador rückt näher

Neue Dialogrunde zwischen Regierung und Guerilla beginnt/ FMLN zu Waffenstillstand vor Ablauf der Wahlperiode des Parlaments am 30. Mai bereit, um Verfassungsänderungen zu ermöglichen/ Druck aus Washington auf El Salvadors Militär  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Wenn die militärischen Kommandanten sich in El Salvadors Friedensdialog einschalten, dann wird es ernst. Erstmals seit Beginn des Dialogs mit der Regierung Cristiani werden jetzt Guerillaführer aus den Kriegsfronten zum Verhandlungstisch gebracht. Unter dem Schutz diplomatischer Immunität wurden Jorge Melendez, alias „Comandante Jonas“, FMLN-Oberbefehlshaber in der Ostprovinz Morazan, und andere Comandantes von UN-Delegierten nach San Salvador gebracht, um nach Mexiko-Stadt zur bisher längsten und allem Anschein nach aussichtsreichsten Dialogrunde zwischen El Salvadors Regierung und der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) weiterzureisen.

Die Perspektiven für eine Einigung sind besonders günstig, weil die USA auf Präsident Cristiani Druck machen, eine Serie von Verfassungsänderungen im Gegenzug gegen einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Daß Washington an einer baldigen Einigung gelegen ist, konnten die Comandantes Joaquin Villalobos und Shafik Jorge Handal vor wenigen Wochen in Managua anläßlich einer Serie von Gesprächen mit hochrangigen Delegationen aus den EG-Ländern orten. Den Außenministern, die damals hier im Rahmen der Wirtschaftskonferenz „San José VII“ tagten, unterbreiteten sie ihren jüngsten Verhandlungsplan. Eine der wichtigsten Verfassungsreformen, die durchgesetzt werden soll, betrifft gerade den Modus der Verfassungsänderung: die muß nämlich von zwei aufeinanderfolgenden Parlamenten beschlossen werden. Jede Einigung im Dialog könnte daher von der Legislative jahrelang blockiert werden. Will man dieses Hindernis entfernen, so drängt die Zeit. Beschlüsse, die noch vom alten Parlament bis Ende Mai getroffen werden, können ab 1. Juni von der im März gewählten neuen Nationalversammlung ratifiziert werden.

Um diese günstige Zeit zu nützen, peilt die FMLN einen Waffenstillstand vor dem 30. Mai an. „Das heißt aber nicht, daß wir die Verfassung akzeptieren“, stellte Villalobos in Managua klar, „wir wollten der Regierung nur entgegenkommen“.

Widerstand der Militärs

Diskutiert wird in Mexiko an zwei separaten Verhandlungstischen: an einem über die Verfassungsreformen, am anderen über die Modalitäten und den Zeitpunkt für einen Waffenstilltstand. Neu ist, daß die FMLN jetzt zu einem Waffenstillstand bereit ist, bevor ein definitives politisches Abkommen über Entmilitarisierung, Justiz- und Wirtschaftsreformen unterzeichnet ist. Die Comandantes verlangen jedoch Vorleistungen, etwa die Auflösung der repressiven Sicherheitskräfte. Schon der UNO-Sonderbeauftragte Alvaro de Soto sah in seinem bisher im Detail geheimen Vermittlungsvorschlag die Schaffung einer unter zivilem Kommando stehenden Polizei anstelle der militarisierten Sicherheitskräfte (Nationalpolizei, Nationalgarde und Finanzpolizei) vor. Vizeverteidigungsminister General Orlando Zepeda, dem diese Sicherheitskräfte unterstehen, wird allgemein als hartnäckigster Scharfmacher innerhalb der Streitkräfte betrachtet. So ist mit dem Widerstand der Militärs zu rechnen. Doch die US-Regierung hat über ihre Waffenhilfe die Armee in der Hand.

Die FMLN stellt sich den Waffenstillstand so vor, daß das Territorium vorübergehend aufgeteilt wird. Wo eindeutig die Guerilleros die Kontrolle ausüben, soll die Armee keinen Zutritt mehr erhalten. So wäre das nördliche Morazan, jenseits des Torola-Flusses, Guerillagebiet. Ein Informant der FMLN versichert, daß die Bush-Regierung die Guerillahochburgen in Morazan und Chalatenango sowie eine Zone in Usulutan bereits als Rückzugsgebiete anerkannt hat. Um weitere Gebiete muß noch gefeilscht werden. Ständige UN-Beobachter (ONUSAL) sollen über die Einhaltung der Vereinbarungen wachen. Bisher sind Vertreter der UNO nur sporadisch in die Kriegsgebiete eingeladen worden, wo sie sich von der Guerillapräsenz überzeugen konnten. Ihre Berichte werden von Bedeutung sein, wenn es daraum geht, die Waffenstillstandszonen abzustecken. Die Hauptstadt soll nach Vorstellungen der FMLN völlig entmilitarisiert werden.

Warum George Bush plötzlich bereit ist, einen Teil der salvadorianischen Armee zu opfern, dürfte daran liegen, daß es immer schwieriger wird, die El-Salvador-Militärhilfe durch den Kongreß zu bekommen. Inzwischen haben sich die US-Strategen aber schon die weitere Zukunft überlegt. Die US-Entwicklungsagentur AID soll bereits Projekte in der Schublade haben, mit deren Hilfe sie die Herzen und Seelen der Campesinos für Regierung und Uncle Sam gewinnen will. Darauf glaubt die FMLN sich einlassen zu können. Ein Guerillasprecher: „Dann wird sich zeigen, ob unsere politische Arbeit genützt hat“.