Keine Abschiebung sowjetischer Juden

Berliner Senat will Bonn über 269 sowjetische Juden entscheiden lassen, die via Israel eingereist sind  ■ Aus Berlin Andrea Böhm

Die Situation könnte — rein historisch gesehen — absurder nicht sein: 269 sowjetischen Juden, die aufgrund des zunehmenden Antisemtismus in der Sowjetunion nach Israel ausgereist sind, sitzen seit Wochen in Berlin und befürchten ihre Abschiebung — nicht in die Sowjetunion, sondern nach Israel. Die Berliner Innenverwaltung, aufgrund bereits ausgestellter Ausweisungsaufforderungen in die öffentliche Kritik geraten, beschwichtigte gestern noch einmal: Solange das Bundesinnenministerium in Bonn keine Entscheidung getroffen habe, würden keine Abschiebungen vorgenommen.

Mit Touristenvisa waren sie in den letzten Monaten aus Israel nach Deutschland eingereist, aus Angst vor dem Golfkrieg, weil sie sich nicht in den besetzten Gebieten ansiedeln oder weil sie ohnehin in Deutschland leben wollten, aber nur über Israel schnell hätten ausreisen können. Die ersten Anträge auf eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung wurden von der Berliner Ausländerbehörde vor gut zwei Wochen abgelehnt — versehen mit der Aufforderung, die Bundesrepublik binnen zweier Wochen zu verlassen. Denn das Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis haben rein formal nur die Juden aus der Sowjetunion, die bis zum 15. Februar nach Deutschland eingereist waren oder die nach diesem Stichtag einen Ausreiseantrag bei einem der deutschen Konsulate in der UdSSR stellen. Der Umweg über Israel machte aus den 269 sowjetischen Juden in den Augen der Berliner Behörden „israelische Touristen“.

Die Betroffenen alarmierten ein Anwaltsbüro und die Presse und kündigten an, „nur die Polizei“ könne sie aus den Wohnheimen herausholen. Die Entschlossenheit zeigte Wirkung, der Senat nahm von „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ vorerst Abstand. Dies allerdings hält die Berliner Ausländerbehörde nach Angaben von Rechtsanwalt Peter Meyer nicht davon ab, weiterhin Ausreiseaufforderungen an die Juden aus der UdSSR zu verschicken. Die hätten nichts zu bedeuten, erklärte der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU). Meyer und sein Anwaltskollege Claus Rosenkranz haben indes Schwierigkeiten, dies ihren MandantInnen klarzumachen, die kein besonders entspanntes Verhältnis zu Behörden haben.

Nachdem der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Galinski, den Niederlassungswunsch der sowjetischen Juden scharf kritisiert und sie zur Rückkehr nach Israel aufgefordert hatte, erhielten die „israelischen Touristen“ gestern Unterstützung von ganz anderer Seite: drei der größten islamischen Religionsvereinigungen appellierten an die Behörden, „den unerträglichen Schwebezustand zugunsten der Betroffenen zu klären und ihnen die Angst vor der Abschiebung zu nehmen“.