Fahnenwechsel nach Sachsen

Allianz für Sachsen trug in Brandenburg Sieg davon/ Wechsel in den Freistaat nicht ohne Sorgen  ■ Von Tom Schönherr

Cottbus. Der Wechsel von 27 brandenburgischen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften in den Freistaat Sachsen Anfang Juli ist beschlossene Sache. Mit der Befürwortung durch Brandenburgs Ministerpräsidenten Stolpe und den sächsischen Innenminister Krause hat die „Allianz für Sachsen“ in dem monatelangen Ringen den Sieg davongetragen. Der Streit begann im Sommer des Vorjahres, als die Kreistage von Senftenberg und Bad Liebenwerda dem mehrheitlichen Bekenntnis der an Befragungen teilnehmenden Bürger auf Zugehörigkeit zu Sachsen nicht entsprachen. Anfang August gab es daraufhin die Allianz- Gründung, dem folgten Protestkundgebungen an der nahegelegenen Autobahn mit kurzzeitiger Blockade, Anträge auf Ausgliederung an die damals in Berlin Verantwortlichen, den DDR-Ministerpräsidenten de Maizière und Volkskammerpräsidentin Bergmann-Pohl. Aufgerufen wurde ferner zum Boykott der brandenburgischen Landtagswahlen, dem aber mit einer hohen Beteiligung beim Urnengang im Oktober nicht entsprochen wurde. Danach dennoch eine neuerliche Bitte auf Entlassung aus dem Land Brandenburg bei dessen Ministerpräsidenten Stolpe. Ein Durchschlag ging an die sächsische Landesregierung.

Die beiden Kreise werden mit der jetzigen Entscheidung ganz schön „gerupft“. Immerhin kommen so rund ein Drittel der insgesamt 170.000 Einwohner wieder zu einem sächsischen Landesherrn. Bis zum Wiener Kongreß 1815 waren die bisher umstrittenen Gebiete schon einmal in diesem Besitz. Da das Königreich Sachsen aber mit dem in den Befreiungskriegen unterlegenen Franzosenkaiser Napoleon paktierte, mußte er die Hälfte seines Territoriums an Preußen abtreten.

Brandenburg verzichtet nunmehr auf solche wirtschaftlich bedeutenden Kommunen wie Lauchhammer, Mühlberg, Ortrand und Ruhland. Ferner „verliert“ die Mark, beispielsweise mit der Silbermann-Orgel in der Großkmehlener Kirche und dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schloß in Martinskirchen, wertvolles Kulturgut.

„Ich bin froh über die endgültige Entscheidung, weil die Ungewißheit über die künftige Entwicklung auf vielen Gebieten damit beendet ist“, sagte Reinhard Kißro, Sprecher der Allianz und Bürgermeister von Ortrand. Nunmehr könne beispielsweise viel besser über die Zukunft der in seinem Ort ansässigen Eisenhütte, des Gummiwerkes und eines Betriebsteils vom Sächsischen Kunstseidenwerk entschieden werden, da sie sich nicht mehr auf dem Territorium zweier Bundesländer befinden. Reinhard Kißro weiß in diesem Zusammenhang von Verunsicherungen gegenüber Beschäftigten aus dem nunmehr bald sächsischen Territorium zu berichten, die es in brandenburgischen Firmen während der vergangenen Monate gegeben haben soll. So sei Druck hinsichtlich der Weiterbeschäftigung sowie der Möglichkeit zur Aus- und Fortbildung ausgeübt worden.

Kompliziert gestalte sich das Hinüberwechseln in den Freistaat für die Handwerker und Gewerbetreibenden, die sich auf Grund des Innungszwangs bisher brandenburgischen Verbänden angeschlossen hätten.

Als Teil des Wirtschaftsförderungsgebietes Cottbus-Senftenberg kamen Allianz-Kommunen bisher in den Genuß von Fördermitteln des Bundes. Das rufe vereinzelt den Unmut angestammter sächsischer Dörfer hervor, die Kredite aufnehmen mußten. Dennoch sieht Reinhard Kißro für das nördlich verbleibende brandenburgische Areal des Kreises Senftenberg wegen der Belastungen durch den Braunkohlenbergbau eher eine düstere Entwicklung.

Da die „Neuen“ in Richtung der künftig für sie zuständigen Landratsämter von Hoyerswerda, Großenhain und Riesa mehr Beachtung erwarten, sei schon hin und wieder in den drei Kreisen auch eine ablehnende Meinung zum Wechsel zu hören gewesen, sagte der Ortrander Bürgermeister. Der aber das Einhalten des Länderwechsels zum 1. Juli schon deshalb für wichtig erachtet, weil dann die Schulferien beginnen. Eine spätere Veränderung im laufenden Unterrichtsjahr sei für die Mädchen und Jungen dann sicher nicht so gut.

Bliebe noch ein anderes Thema: Zu Jahresbeginn ausgesprochene und im Fall des Lauchhammeraner Bürgermeisters Christian Häntzka schriftlich zugegangene Morddrohungen gegenüber führenden Kommunalpolitikern der „abtrünnnigen“ Gemeinden. Das Urteil soll wenige Tage nach der Aufnahme in den Freistaat vollstreckt werden. adn