INTERVIEW
: »Diese Stadt kann nicht mal richtige Mülleimer aufstellen«

■ Gespräch mit Patrick Stottrop, Vorstandsmitglied der AG-City über die bevorstehende Reise- und Einkaufswelle polnischer Touristen

Einen multikulturellen Ringelpiez erwartet beim besten Willen keiner — eher bikulturellen Streß, wenn ab 8. April polnische Touristen wieder ohne Visum einreisen dürfen. Diese Aussichten haben in den letzten Tagen so manchen CDU-Politiker zum antipolnischen Ghostbuster werden lassen. Schwarzhandel und Müllberge werden beschworen. Berlin empfängt die Gäste aus dem ungeliebten Nachbarland mit verstärktem Polizeiaufgebot. Nicht besonders großstädtisch findet das Patrick Stottrop, Mitinhaber der gleichnamigen Parfümerie- und Modekette und Vorstandsmitglied der AG City, eines Zusammenschlusses von Geschäftsleuten in der Innenstadt.

taz: Angenommen, Sie wären nicht Herr Stottrop aus Berlin, sondern der Automechaniker Stankowski aus Warschau. Was würden Sie am 8. April machen?

Stottrop: Nach Berlin fahren, um einzukaufen. Es gibt zwar in Polen die Waren, die man auch in Berlin bekommt, aber die Preise sind doppelt so hoch. Ich hätte also in den letzten Wochen möglichst wenig ausgegeben, um mich jetzt billiger in der Bundesrepublik einzudecken. Ich fahre beim ersten Mal natürlich dorthin, wo ich mich auskenne und wo ich vor einem halben Jahr auch schon war. Aber wenn ich erst mal weiß, daß ich meine Waren auch in Frankfurt/Oder bekomme, dann spare ich mir die Fahrt nach Berlin.

Wenn man sich die Berichterstattung und die Statements mancher Politiker ansieht, könnte man meinen, Berlin stünde am 8. April die Invasion aus dem Weltall bevor. Sind die polnischen Touristen nun Gäste, Kunden oder ein polizeiliches Problem?

Sie sind Gäste und Kunden — und einige werden, wie überall, schwarze Schafe sein.

Wie sollte sich eine Stadt wie Berlin darauf vorbereiten?

Berlin muß sich generell immer mehr auf Tagestouristen einstellen. Tagestouristen übernachten bekanntlich nicht in Hotels. Also muß man für entsprechende sanitäre Anlagen sorgen. Solche Leute gehen auch wenig in Restaurants, sondern konsumieren mehr Fast- Food auf der Straße. Dadurch entsteht ein Müllproblem. Darauf muß man sich eben vorbereiten. Das ist ja nicht immer so, daß die Besucher böswillig sind. Diese Stadt schafft es einfach nicht, richtige Müllbehälter aufzustellen. Das geht doch schon seit zwanzig Jahren so, daß immer noch diese Kleinstbehälter benutzt werden, die mit drei Plastik-Colabechern schon voll sind.

Der Anspruch der Metropole scheitert also bereits am Durchmesser der Abfalleimer...

Von Metropole wird hier viel geredet, aber tatsächlich tut man dafür nichts. Nach Paris oder New York kommen täglich Millionen Menschen — und uns machen schon die paar, die zur Zeit kommen, Kopfzerbrechen.

Rechnen Sie mit so vielen Touristen wie vor Einführung der Visumspflicht?

Das kann man doch gar nicht vorhersagen. Sicherlich ist da erst mal ein verstärkter Andrang, schließlich konnten die meisten ein halbes Jahr lang nicht einreisen. Aber die Situation ist ja nun eine andere. Heute können die Polen überall in die Bundesrepublik reisen, was früher nicht der Fall war. Das wird sich also entsprechend verteilen.

Wieviel muß eine Metropole aushalten?

Nach New York fahren täglich drei, vier Millionen Menschen rein — und auch wieder raus. Da haben wir noch viel Luft. Da kann man nicht bei 50.000 oder 100.000 schon anfangen zu stöhnen. Gespräch: Andrea Böhm