KOMMENTARE
: Selbstbestimmung und Souveränität

■ Die letzte UN-Resolution verweist auf die brüchige Logik der Großmachtpolitik

Auf der Basis ihrer militärischen Machtposition in den irakischen Bürgerkrieg einzugreifen - das weist die stärkste Siegermacht im Golfkrieg weit von sich. Begründung: Dies sei ein Eingriff in die internen Angelegenheiten eines souveränen Staates. Der Inhalt der Waffenstillstands-Resolution diskreditiert diese Argumentation. Zwar geht es im ersten Abschnitt um die „Unverletzlichkeit“ der „internationalen Grenze“ zwischen Irak und Kuwait. Ihre Anerkennung durch den Irak ist eine Bedingung für die „Gewährung eines formellen Waffenstillstandes“. Andere Bestimmungen der Resolution greifen hingegen massiv in die Militär- und Finanzhoheit des Irak ein.

Nun sind Eingriffe der Siegermächte in die Hoheitsrechte eines Staates, der einen Krieg verloren hat, nichts Neues. Neu ist aber, daß die Vereinten Nationen diesen Eingriff vornehmen. Den tatsächlichen Kriegsgegnern des Irak ist es mit dieser Resolution definitiv gelungen, die UNO nachträglich in die Position einer Kriegspartei zu bringen. Denn ob die Vereinten Nationen durch die Verabschiedung der Resolution 678, die den Einsatz militärischer Mittel als Möglichkeit formulierte, zur Kriegspartei wurde, blieb umstritten.

Mit der geforderten Abrüstung des Irak mag man gleichwohl sympathisieren. Die jüngsten Waffenkäufe jener Staaten des Nahen Ostens, die jetzt auf der Siegerseite stehen, zeigen jedoch, daß es um eine Pazifizierung der „Region“ gewiß nicht geht. Die Waffenvernichtungsbestimmungen der Resolution sind eher als ein weiterer Schritt der Großmächte zu werten, ihrem Anspruch auf ein weltweites Gewaltmonopol, vor allem über atomare Waffen, Geltung zu verschaffen. Abrüstung, das zeigen die Erfahrungen „im Norden“, ist nur auf Basis multilateraler Vereinbarungen denkbar.

Es ist äußerst fraglich, ob der Irak diese Bedingung akzeptieren wird. Wenn nicht, was dann? Fortsetzung des Krieges? Der Resolutionstext sieht etwas anderes vor: weitgehende Aufrechterhaltung des Embargos. Ursprünglich verhängt, um den Irak zum Abzug aus Kuwait zu zwingen, wird sein Zweck schlicht umdefiniert: Die Sanktionen dienen nun als Druckmittel, um den Irak zur Annahme von Bestimmungen zu zwingen, die auf unabsehbare Zeit Verzicht auf den Status einer regionalen Großmacht bedeuten. Mit Blick auf die Tyrannei der Regierung von Saddam Hussein mag man auch damit sympathisieren. Doch wer den Verlauf des irakischen Bürgerkrieges verfolgt, weiß, daß die Regierung in Bagdad stark genug bleiben sollte, um die Integrität des irakischen Territoriums zu verteidigen.

Die mit Gewalt wiederhergestellte Staatsgrenze zwischen Irak und Kuwait ist eben keine „internationale“ Grenze, denn sie trennt nicht zwei Nationen voneinander. Die Grenzen der Nationen verlaufen, wie es der irakische Bürgerkrieg erneut zeigt, mitten durch die von den Kolonialmächten definierten Staatsgebiete. Die Politik des UN-Sicherheitsrates führt erneut vor, daß es ihm nicht um Selbstbestimmungsrechte geht. Nina Corsten