„Bush, der Verbündete von Saddam“

■ Mahnwache verzweifelter KurdInnen vor Bonner US-Botschaft/ Keine Nachrichten von Angehörigen im Irak

Bonn (taz) — Zehntausende massakrierte, verstümmelte, abgeschlachtete Kurden und Kurdinnen. Völkermord von Saddam Husseins Armee, offenbar wiederum mit Giftgas und Phosphorbomben. Chaos und unermeßliches Leid — an die drei Millionen Zivilisten irren derzeit auf der Flucht vor Saddams Terrorgarden durch den Norden des Irak.

Entsetzen, Trauer und Verzweiflung auch hierzulande — bei den Angehörigen. Seit Mittwoch morgen haben sie sich zu einer Mahnwache zusammengetan, die vor der US-Botschaft in Bad Godesberg mithelfen will, die Welt wachzurütteln ob des unvorstellbaren Blutbades. 60 KurdInnen begannen die Mahnwache, mittlerweile sind es über 200.

„Alle haben wir unsere Familien da unten“, sagt einer der Demonstranten, „und seit Monaten gibt es keinen Kontakt. Wir sehen das Grauen im Fernsehen und viele sind schlicht verzweifelt.“ Eine Frau ergänzt: „Manche Kurden hier in Deutschland können nicht mehr ruhig sitzen, nicht mehr schlafen.“

Nachdem die US-Armee ihren Völkermord beendet hatte, habe es geheißen, die Kurden sollten sich gegen Saddam erheben, schimpft einer. Sie taten es, verstärkt jetzt, nach 32 Jahren Widerstand gegen die Unterdrücker aus Bagdad. „Jetzt heißt es plötzlich, die Iraker sollen ihre Probleme unter sich lösen“, und nach den Anfangserfolgen der Aufständischen im März gebe es keinerlei Hilfe mehr von der „Allianz“, insbesondere nicht von den USA.

Eine Delegation der Mahnwache mußte sich von zwei Botschaftsangehörigen denn anhören, die Vereinigten Staaten wollten sich „nicht in die inneren Angelegenheiten des Irak einmischen“. Das sei doch „Zweizüngigkeit und doppelte Moral“, schimpft einer fassungslos, 200.000 US- Soldaten seien noch im Irak und sie schauten tatenlos zu, aus Angst vor den falschen Reaktionen ihrer Kritiker. Folgerichtig diese zwei Plakate: „USA — der neue Verbündete von Saddam“ und „Bush läßt unser Volk durch Saddam vernichten“.

Die KurdInnen fordern, daß möglichst umgehend eine Friedenslösung zusammen mit dem kurdischen Volk angestrebt wird. Daß die UNO endlich aufwacht, und den weiteren Völkermord verhindert. „Wir wollen“, sagt einer, „nicht erst zum Terror gezwungen werden. Traurig, daß die Menschheit solches Blutvergießen braucht, um auf das schreiende Unrecht aufmerksam gemacht zu werden.“ Aufmerksamkeit haben insbesondere die Fernsehbilder der letzten Tage geweckt, geändert hat sich noch nichts. „Wo ist die Moral der Weltöffentlichkeit?“, fragt ein Transparent, und einer sagt: „Über die toten Vögel im Golf haben sich alle empört. Das kurdische Volk interessiert nur am Rande.“

Zuallererst müsse, fordern die Bonner KurdInnen wie andere Organisationen auch, massive humanitäre Hilfen geleistet werden für die Flüchtenden. Und insbesondere das EG-Land Türkei müsse seine Grenzen öffnen. Was gestern in Bonn bis in die CDU hinein auf Zustimmung traf. Nicht aber da, wo Druck ausgeübt werden könnte: FDP-Staatsminister Helmut Schäfer vom Auswärtigen Amt will sich zwar für ein Ende der Verfolgung einsetzen, meinte aber ansonsten lapidar: „Die Kurden müssen da bleiben, wo sie hingehören.“

Das ist derzeit da, wo Saddams Truppen hemmungslos wüten, massakrieren, brandschatzen und morden. Bernd Müllender