Schonendere Lösungen nicht in Sicht

■ Trotz Akzentverschiebung der Treuhandarbeit auf Sanierung weiterer Arbeitsplatzabbau

„Die Entscheidung, diese Arbeitsplätze abzubauen, ist schmerzlich für die Betroffenen“, heißt es in einem Papier, das Treuhandchef Detlev Rohwedder wenige Tage vor seiner Ermordung an die Mitarbeiter seines Hauses verteilen ließ. Doch die Aufrechterhaltung unproduktiver, nicht wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in der Wirtschaft der ehemaligen DDR, so fährt Rohwedder in seinen mittlerweile als „Vermächtnis“ apostrophierten Ostergedanken fort, „ist teuer für die Gesamtheit und verlangsamt den gewollten Umbau der Volkswirtschaft“. Unabhängig davon, wer die Rohwedder-Nachfolge antritt, egal auch ob die jüngsten Bekundungen verantwortlicher Politiker und Treuhandmanager, die Arbeit der umstrittenen Mammutbehörde im Sinne Rohwedders fortzusetzen, ernst gemeint oder der Pietät geschuldet sind: Den Abbau unproduktiver Arbeitsplätze wird die Treuhand mit ihren insgesamt über 10.000 Betrieben und über 3,4 Millionen industriellen Beschäftigten weiter fortsetzen.

Immerhin haben die katastrophale Entwicklung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt und die wachsenden Proteste gegen den wirtschaftlichen Kahlschlag in den letzten Wochen zu einer Debatte um die Treuhandaufgaben und eine vorsichtige Neuakzentuierung geführt. Denn selbst im Bundesfinanzministerium, dem die Treuhand untersteht, waren Zweifel aufgekommen, ob die rein betriebswirtschaftlichen Kriterien, anhand derer die Treuhänder über die Zukunft der Betriebe entscheiden, arbeitsmarkt- und strukturpolitisch weiter vertretbar seien. In diesem Falle würden am Ende, so die Prognose, lediglich 700.000 der knapp 3,4 Millionen industriellen Arbeitsplätze übrigbleiben. Fazit: Über die Prioritätensetzung der Treuhand müsse neu nachgedacht werden.

In einem Acht-Punkte-Papier, das seit Mitte März die „Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost“ regeln soll, wird denn auch „unideologisches Handeln“ eingefordert. „Zunächst teurere, aber den Arbeitsmarkt schonendere Lösungen können langfristig wirtschaftlicher sein.“ Doch dieses neue arbeitsmarktpolitische Credo, das vor allem von den Befürchtungen der Bundesregierung und der neuen Landesregierungen diktiert scheint, findet sich in Rohwedders letztem Schreiben, das ja auch weiterhin die Richtung der Treuhandpolitik angibt, ebensowenig wie eine Abkehr von der Privatisierungsstrategie. „Priorität“, so Rohwedder, „wird auch weiterhin die Überführung von Unternehmen in privates Eigentum haben.“ Und: „Privatisierung ist die wirksamste Sanierung.“ Keinen Zweifel läßt Rohwedder, daß auch bei der Sanierung zukunftsträchtiger Betriebe allzu große Rücksicht auf Arbeitsplätze nur kontraproduktiv sein könne: Bei der Sanierung „sind die Arbeitsplatzverluste so wenig zu vermeiden wie bei der Privatisierung oder bei der Stillegung.“

Während etwa das Bündnis 90 fordert, die Treuhand müsse per Gesetz auf die Sanierung von Betrieben unter Erhalt einer möglichst großen Zahl von Arbeitsplätzen festgelegt werden, größere Betriebsstillegungen dürften überhaupt nur im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern erfolgen, bleibt das Acht- Punkte-Programm vage: Hier ist lediglich von „Abstimmung“ mit den Landesregierungen die Rede. Bund, Länder und Treuhand wollen sich bei Betriebsstillegungen von herausragender arbeitsmarktpolitischer Bedeutung bemühen, so das Papier, „die nachteiligen Auswirkungen für die Beschäftigten zu verringern“. Rohwedder formulierte das optimistischer: „Betriebsstillegungen sollen zum Kristallisationskern neuer Aktivitäten werden.“ eis