Ein sauberer Tropfen Wasser macht noch keinen klaren See

Minister Rauls: Ein halber Wassergütebericht für das Land Sachsen-Anhalt/ Trotz Verbesserungen sind die meisten Gewässer keine lebenden  ■ Von Eberhard Löblich

Halle (taz) — Die Flüsse Sachsen-Anhalts waren vor der Wende berüchtigte Gifttransporter. Die großen Chemiekombinate zwischen Halle, Bitterfeld und Merseburg konnten ihre Abwässer ungehindert in Mulde, Saale und Elbe einleiten, die trugen dann die Giftbrühe ebenso ungehindert nach Norden und nach Westen.

Das soll jetzt anders werden, meint der Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) und stellt den Wassergütebericht 1990 vor. Allerdings nur für den Süden: »Wir können derzeit noch keinen Wassergütebericht für ganz Sachsen-Anhalt vorlegen, weil der Arbeitsstand in den Regierungsbezirken unterschiedlich ist«, entschuldigt sich Rauls. In Halle, im Süden, ist schließlich das Umweltamt angesiedelt, das die Arbeiten entsprechend vorantreiben konnte.

Das Umweltministerium in Magdeburg ist dagegen noch nicht soweit. »Aber ich glaube trotzdem, daß es wichtig ist, diesen Bericht jetzt zu veröffentlichen, weil ja der südliche Landesteil ganz maßgeblich zum schlechten Gesamtzustand der Gewässer in Sachsen-Anhalt beiträgt.« Der Wassergütebericht bringt durchaus einige positive Nachrichten. Das Werk faßt Einzelmeßwerte aus 27 Meßstationen in Fließgewässern, sieben an stehenden Gewässern und 35 im Grundwasser zusammen und analysiert sie.

Im Vergleich zum Vorjahr ist in der Mulde unterhalb der Abwassereinleitung der Chemieriesen von Bitterfeld und Wolfen die Belastung mit organischen Schadstoffen um rund 30 Prozent zurückgegangen, die Belastung mit Schwermetallen und Phenolen um etwa die Hälfte.

Der Sauerstoffgehalt habe sich um zwei Milligramm pro Liter auf 5 mg/l verbessert. Selbst die kritische Sauerstoff-Minimalkonzentration stieg von 0,1 mg/l auf 2,8 mg/l. Die AnwohnerInnen werden es im Sommer nachhaltig spüren, wenn das Flüßchen nicht mehr wie sonst nach faulen Eiern stinkt.

Ähnliche Verbesserungen seien auch in der Elbe und im Oberlauf der Saale zu verzeichnen: »Die Elbe konnte auf ihrer ganzen Fließstrecke durch Sachsen-Anhalt von Klasse vier in Klasse drei der Belastungsstufung mit organischen Stoffen neu eingestuft werden.«

Die Verminderung der Schadstoffbelastung ist jedoch nicht so sehr dem aktiven Umweltschutz des FDP-Ministers, sondern vielmehr der Marktwirtschaft zu verdanken: »Die Verbesserung der Belastungswerte beruht fast ausschließlich auf der Stillegung von einzelnen Betriebsteilen oder gar ganzen Betrieben im Chemiedreieck«, mußte Rauls einräumen. Flächendeckend ist diese Verbesserung auch noch nicht: »Erhebliche Probleme gibt es natürlich nach wie vor im Unterlauf der Saale«, räumt Rauls ein. Die Probleme rühren nicht nurvon kritischen Einleitungen aus den Industriestandorten Bitterfeld und Wolfen, sondern auch von völlig ungeklärten Abwässern der Kommunen her.

So stolz Rauls auf die Verminderung der Schadstoffbelastung in den Flüssen ist: Er muß zugeben, daß mit der bislang erreichten Absenkung der Schadstoffkonzentration noch nichts erreicht ist. »30 bis 40 Prozent in der Mulde bedeutet noch lange nicht, daß dort ein ökologisch sauberes Gewässer oder auch nur ein Gewässer mit Leben entstanden ist«, gibt er zu. Der Fluß wird seine Giftlast nur unbemerkter an den Menschen, die an seinen Ufern leben, vorbeitragen.

Bis aktive Umweltmaßnahmen seines Ministeriums die Wassergüte in Sachsen-Anhalt weiter verbessern, werden wohl noch drei bis vier Jahre ins Land gehen, sagt Rauls. Zum einen sei da die Übergangsfrist, die den Betrieben eingeräumt worden ist, um ihre Filtertechnologie den strengeren westdeutschen Normen anzupassen. Zum anderen würden auch die kommunalen Investitionen sich erst in einigen Jahren auswirken. »Die Kläranlagen, die jetzt geplant werden, brauchen eben auch ihre Bauzeit, ehe sie in Betrieb genommen werden können.« Bis dahin hofft Rauls auf weitere Auswirkungen der Marktwirtschaft und der Treuhand.

Sofortmaßnahmen verspricht der Minister auch nur für die Gemeinden, in denen Kinder auch heute noch auf Staatskosten mit Mineralwasser versorgt werden, weil die überhöhte Nitratbelastung eine ernstzunehmende Gefährdung darstellt. Ob sich diese Maßnahmen aber noch in diesem Jahr tatsächlich auswirken werden, wagt selbst ein regierender Optimist wie Rauls gelinde zu bezweifeln.