Dunstige, giftige Polarnacht am Golf

Probleme und Behinderungen beim Löschen/ Luft 400mal giftiger als in den USA erlaubt/ Versengte Schnurrbärte und Angst vor verfaulten Eiern  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Es ist Nacht am Golf, und es ist laut. Sechshundert Ölquellen brennen mit dem ohrenbetäubenden Lärm eines startenden Jumbo- Jets. Ihr Ruß macht Kinder und alte Leute krank, schädigt die Lungen von Jungen und Mädchen unter zwölf irreparabel — befürchtet die US-Umweltbehörde EPA. Die Wüste brennt, und manche Szenen erinnern mit dem blubbernden heißen Öl eher an magmaspeiende Vulkane in Dantes Inferno als an Ölfelder. Hundertvierzig Männer kämpfen gegen das Inferno, das hunderttausend Männer angerichtet haben.

Die Probleme sind riesig. „Wir können nicht ein einziges dieser verdammten Feuer löschen, bis wir Wasser und Ausrüstung genug haben“, schäumt Boots Hanson, die bessere Hälfte der Houston-Feuerkiller von BOOTS and COOTS. Trotz mehrmonatiger Vorbereitung gehen die Löscharbeiten immer noch schleppend voran.

Berufsoptimisten

Nicht nur die Minen und Sprengsätze müssen geräumt werden. Keine Ölfeuerwehr hat je mehr als fünf Feuer gleichzeitig bekämpft. Das war in Libyen, und der legendäre Red Adair, Vaterfigur für die tollkühnen Feuerwehrleute, brauchte damals acht Monate. Trotzdem wollen die beinharten Rednecks in den drei Teams aus Texas keinen Pessimismus aufkommen lassen. „Es gibts nicht in der Welt, das wir nicht in den Griff bekommen können. Zur Hölle, überhaupt nichts. Es sind eben nur verdammt viele Feuer“,flucht Hanson.

Und die Arbeit wird den fremdländischen Feuerwehrleuten auch nicht immer leicht gemacht. In der vergangenen Woche hat nach einem Bericht der 'Los Angeles Times‘ die saudische Bürokratie den Kämpfern an der Feuerfront einen Bärendienst erwiesen. Saudische Zöllner durchsuchten einen Konvoi von 52 Lastwagen mit Ausrüstung für die Feuerwehrleute so minutiös, daß pro Tag gerade sechs Lastwagen passieren konnten. Die Teams bekommen ihre Ausrüstung inzwischen mit der US Air Force oder über den Seeweg.

Derweil brennen die rund 600 Feuer weiter. Eine Kommission der amerikanischen Umweltbehörde EPA schätzt, daß täglich 80.000 Tonnen Ruß in den arabischen Himmel gepustet werden — zehnmal so viel, wie alle amerikanischen Kraftwerke gleichzeitig ablassen. Zwar hat man inzwischen Golf-Ruß am Himalaya und an der Schwarzmeerküste gefunden, das meiste an Dreck kommt aber nach wie vor in der Umgebung der brennenden Quellen herunter. Die Luftverschmutzung, die die amerikanischen Umweltexperten in Kuwait gemessen haben, war rund 400 Mal so hoch, wie die zulässigen amerikanischen Grenzwerte. Einzig die zum Teil recht steife nordwestliche Brise verhindert, daß sich die hochgiftigen Rückstände im Ruß so konzentriert sammeln, daß sie eine unmittelbare Lebensgefahr für die Bewohner in Kuwait bedeuten. An einigen Stellen fingen die Amerikaner bei ihren Messungen 935 Partikelchen pro Kubikmeter Luft ein — in zwanzig Minuten. Die zulässigen US-Höchstwerte für die zum Teil tief in die Lunge eindringenden Teilchen liegen bei 150 Partikel pro kubikmeter — in 24 Stunden.

So ist das Fazit des Berichtes denn auch wenig beruhigend. „Die Situation scheint noch nicht lebensbedrohend zu sein“, schließen die Experten. Vor allem die US-Soldaten seien an ihren Standorten nur sporadisch höheren Belastungen ausgesetzt. Wenn allerdings statt der steifen Brise eine Inversionswetterlage eintreten sollte, könnten die Folgen für die Kuwaitis und auch für die Alliierten Truppen for Ort katastrophal werden.

Die Feuerwehrleute kämpfen schon heute mit den Atmungsproblemen. Sie werden regelmäßig geröntgt. „Einige Ökologen sagen, es ist, als ob wir fünf Schachteln Zigaretten am Tag rauchen. Ich rauche ohnehin drei“, spottet Feuerwehrmann Ace Barnes mit galligem Humor.

15 Ölbrände haben die versammelten Cracks in „Dantes Inferno“ inzwischen mit mit Glück gestoppt. Vor allem fehlt den Katastrophenarbeitern aber nach wie vor Wasser. Ganze Hilfscrews arbeiten vor Ort daran, eine 40 Kilometer lange 15-Zentimeter-Ölleitung für den Wassertransport umzuwidmen. Doch das kann drei Wochen dauern.

In der Zwischenzeit müssen Tanklastzüge die fehlenden Wasserleitungen ersetzen. Mit einer Stahlkappe und vier Tanklastzügen unternahm das Team von Boots Hanson zwei Löschversuche. Stahlkappe drauf und Wasser marsch. In zwei Versuchen konnte das Feuer zwar erheblich verkleinert werden, aber gelöscht bekamen die Texaner den Flammenherd nicht. Eigentlich brauchen sie, so bekennt Hanson, bis zu 60.000 Liter Wasser pro Minute bei ihren Löschversuchen.

Fünf Feuer gingen selbst aus, weil sich in den Quellen Wasser und Öl gemischt haben. Doch die Feuerwehrleute sind nicht so glücklich darüber. Tödliche Gase, die an lodernden Quellen verbrennen, werden jetzt einfach freigesetzt. Das macht den rauhen Kerlen, wie dem 29jährigen Feuerlöscher David Haines, Angst: „Wenn du es riechst, stinkt es nach verfaulten Eiern — wenn du es nicht mehr riechst, ist es vielleicht schon zu spät. Zuerst zerstört es deinen Geruchssinn. Dann unterbricht es deine Atmung und killt dich.“

Wenn der Bart brennt...

Viel lieber arbeiten die Feuerkämpfer zu dritt am brennenden Loch. Einer steuert den gepanzerten Bulldozer rückwärts auf die Flamme zu, der zweite gibt ihm Anweisungen aus der Schaufel, während der dritte unter einer permannten Riesendusche dem Feuer zu Leibe rückt. Witzelt „Dritter Mann“ Brian Krause: „Wenn ich meinen Schnurrbart kokeln rieche, bin ich zu nah dran.“