Von Weizsäcker prophezeit „wirklich gute Aussichten“

■ Das Staatsoberhaupt Richard von Weizsäcker hat am Samstag seinen Antrittsbesuch im Bundesland Sachsen-Anhalt in Halle absolviert

Halle (taz) — Der Bundespräsident war da. In Sachsen-Anhalt, in Magdeburg und in Halle eskortierten der Ministerpräsident Gerd Gies und Kabinettsmitglieder Richard von Weizsäcker. Am Samstag gesellte sich noch der gebürtige Hallenser und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher zur Visite hinzu.

Weizsäcker hatte bei seinem (Kranken)-Besuch in Sachsen-Anhalt im Hinblick auf die Schaffung der inneren deutschen Einheit „von psychologischen Herausforderungen neben den sachlichen und politischen“ gesprochen. Er selbst wolle dazu beitragen, daß der staatlichen Einheit nun auch eine „Öffnung in den Köpfen und Herzen“ folge, und das äußerte der Bundespräsident mehrfach. Neben vielen Shake- hands auf Straßen Magdeburgs und Halles gab es Gespräche zur wirtschaftlichen und sozialen Lage im Land sowie zum Aufbau der parlamentarischen Demokratie. Dazu traf das Staatsoberhaupt mit der Landesregierung, Landtagspräsidium und Fraktionsvorsitzenden, Kommunalpolitikern sowie Wirtschaftsexperten zusammen. Der wirtschaftspolitische Schwerpunkt des Sachsen-Anhalt-Aufenthaltes war am Samstag eine Visite bei den Leuna-Werken.

Dort sei die „verantwortungsvolle Sozialpartnerschaft von Landesregierung, Treuhand, Unternehmensleitung und Betriebsrat“ zum Erhalt des Chemiestandortes deutlich geworden, so Weizsäcker, sichtlich beeindruckt. Die Landesregierung braucht nunmehr schon fast ein halbes Jahr — seit Oktober vorigen Jahres — um das endgültige Sanierungskonzept für das Unternehmen in Sack und Tüten zu bekommen. Der internationale Wettbewerb zwinge zur Konzentration auf die Kerngeschäfte Rohölraffinerien, Methanolveredelung und Kunststofferzeugung. Was die Beschäftigungspolitik anbelangt, bekommt von Weizsäcker Resignatives zu hören: Trotz aller sozialen Bemühungen, seien nach bereits 6.000 Entlassungen weitere nicht zu vermeiden, hatte ihm Ministerpräsident Gies mitgeteilt. Der Bundespräsident sprach sich für eine generelle Befreiung der Unternehmen von ökologischen Altlasten aus. Wer dafür zuständig sein soll, fragt sich. Vor Journalisten zog Weizsäcker ein eher Patt-Fazit: Es gebe keinen Grund zur Resignation, aber auch nicht zur Schönfärberei, das war es, was der Bundespräsident aus Sachsen-Anhalt zurück nach Bonn mitnehmen wird. Und morgen wieder Wetter... Sein Eindruck von den Menschen hierzulande: „...daß diese der Wahrheit ins Auge sehen können.“ Letzter Trost, die nichtwegzuredende geografische Lage. Sachsen-Anhalt, inmitten Deutschlands und in dem zusammenwachsenden Europa habe „wirklich gute Aussichten“.

Als erstes Staatsoberhaupt in der über 300jährigen Geschichte der Leopoldina nahm Weizsäcker an der Jahresversammlung 1991 der weltältesten naturwissenschaftlichen Akademie teil. Dank der friedlichen Revolution in der DDR sei die Emanzipation der Wissenschaft von staatlich verlangter Unmündigkeit gelungen. Vor einer selbstverschuldeten Unmündigkeit sollten sich Wissen- und Nichtwissenschaftler in aller Welt „auch weiterhin hüten“. abc