Sachsen-Anhalts Asylaufnahmelager platzt aus den Nähten

■ Die Zustände in der Halberstädter Asyl-Kaserne sind besser als ihr Ruf, behauptet der Lagerleiter

Halberstadt. Über die Neuankömmlinge gehen die Meinungen auseinander. „Asys raus, aber schnell“ und „Ein toter Asy ist ein guter Asylant“ steht in Sprühfarben an einer Straßenbahnhaltestelle nahe des zentralen Aufnahmelagers für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt in Halberstadt. Befragte Halberstädter Passanten geben sich moderater: „So lange sie keinem was tun, stören sie direkt nicht“, gibt einer seiner Gleichgültigkeit Ausdruck. „Man sieht sie hin und wieder, aber sie fallen wenig auf“, findet ein anderer.

Halberstadt, mit 45 000 Einwohnern fünftgrößte Stadt Sachsen-Anhalts, ist seit Dezember erster Anlaufpunkt für alle Asylbewerber, die dem Bundesland zugewiesen werden. In einer ehemaligen Kaserne eines Ausbildungsregiments der DDR-Grenztruppen, wo früher vermutlich Grenzer im Verhindern der Republikflucht geschult wurden, finden jetzt Flüchtlinge aus aller Welt eine erste Bleibe, bevor sie zur Unterbringung den Landkreisen zugewiesen werden. Zur Zeit warten in zwei Kasernenblocks fast 600 Flüchtlinge aus 42 Ländern, an erster Stelle Ghana und Rumänien, auf ihren Transfer. Doch die Landkreise kommen ihren Aufnahmenverpflichtungen nur ungenügend nach, so daß die Kapazität des Lagers bereits erschöpft ist.

Als die ersten Asylbewerber im Dezember eintrafen, hatten nicht nur viele Halberstädter Bürger Vorbehalte. Auch die Ankömmlinge selbst waren oft wenig erfreut, daß es sie in Deutschlands östlichen Teil verschlagen hatte. Der Anblick der Kaserne wirkte auf manche so abschreckend, daß sie postwendend kehrtmachten. Eine Gruppe von 30 Asylbewerbern, die sich kurz nach Ankunft in Halberstadt im hessischen Aufnahmelager Schwalbach „zurückmeldete“, mußte dann doch nach Sachsen-Anhalt zurückkehren. Solche Absetzbestrebungen haben sich nach Aussage des amtierenden Leiters der Aufnahmestelle, Reinhard Kowollik, gelegt. Es habe sich herumgesprochen, daß es sich in den meisten westdeutschen Lagern doch nicht besser lebe. „Der Informationsfluß von Asylbewerbern ist schneller als unsere Post geht“, sagt der Leiter des Hauses, Kowallik.

Doch Warterei und Untätigkeit leisten dem Lagerkoller Vorschub. Zerbochene Fensterscheiben, kaputte Türen und heruntergerissene Tapeten erklärt Kowallik mit dem „gegenwärtigen Frust“ der sich bei manchen Lagerinssassen in Gewalttätigkeit entlädt. Das sei in den Alt-Bundesländern nicht anders.

Am meisten klagen die Asylbewerber darüber, daß sie in der Kaserne nicht selber kochen dürfen. So ist die Frage nach dem „Transfer“ die häufigste, die Kowallik von Ghanesen und Rumänen zu hören bekommt. Doch in den vergangenen vier Wochen habe man kaum noch Asylbewerber an Kreisverwaltungen verteilen können. Obwohl im Durchgangslager eigentlich niemand länger als 14 Tage bleiben sollte, muß der Lagerleiter die Fragenden immer wieder vertrösten. Wöchentlich kommen neue Gruppen, doch die Kapazität sei jetzt erschöpft. „Wo ich die Nächsten am Montag unterbringe, weiß ich nocht nicht“, sagt Kowallik. Klaus Blume /dpa